In jeder Krise steckt auch eine Chance, das gilt auch und vor allem für Corona. Im organisationalen Kontext stell(t)en wir uns die Frage: Was nehmen wir mit aus der Krise? In diesem Artikel geht es um den ersten Schwerpunkt: Virtuelle Führung. Mit der teilweisen Rückkehr ins Büro erwartet Führungskräfte das Führen hybrider Teams, eine vielleicht noch größere Herausforderung.


Über diese Arbeit und über uns:
Man nehme drei möglichst unterschiedliche Autoren, also: drei Unternehmensgrößen (< 1.000, < 10.000, < 400.000), drei unterschiedliche Bereiche (Finanzen und Controlling, Organisationsentwicklung, Produktmanagement), drei unterschiedliche Corona-Erfahrungen (gefragte Produkte und sehr viel Arbeit, massiver Umsatzeinbruch und sehr viel Arbeit, Umsatzeinbruch und Kurzarbeit) und stecke diese Personen über Monate regelmäßig in Zoom-Calls. Im Rahmen einer Organisationsentwicklungsfortbildung ist daraus dieses Paper entstanden, dessen Inhalt wir mit viel systemischer Neugier heiß ausdiskutiert haben. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und freuen uns auf Eure Gedanken!
Elisabeth Neugebauer, Corinna Both und Serkan Yildizoglu

Auf privater Seite traf Corona durch den Lockdown junge Eltern am stärksten. In beruflicher Hinsicht sind es vor allem die Führungskräfte. Für sie stellten die vergangenen Monate mit all den ungeplanten und ungewollten Veränderungen eine große Herausforderung dar. Die wirtschaftliche Notwendigkeit, die Geschäftstätigkeit mit allen möglichen Mitteln aufrecht zu erhalten, traf auf eine vollständig veränderte Situation, die die wenigsten Mitarbeiter und Führungskräfte sich hätten vorstellen können.

Während die IT-Abteilungen in Überschallgeschwindigkeit mobiles Arbeiten für eine große Anzahl Mitarbeiter möglich machten, mussten sich Führungskräfte überlegen, wie sie ihre Mitarbeiter bestmöglich schützen und unterstützen können. Zusätzlich mussten sie sich selbst im mobilen Arbeiten einfinden, ihre Teams organisieren und – ein neues Führungs(selbst)verständnis entwickeln.

Entwicklung in Phasen

Obwohl der Pandemiebeginn bei uns gerade ein halbes Jahr her ist, hat unsere neue Arbeitswelt bereits einige Phasen hinter sich.

Innerhalb weniger Tage gab es im Netz bereits viele Tipps, wie Homeoffice sinnvoll umgesetzt und sozial und effizient gestaltet werden kann. Zudem wurde bereits während des Lockdowns im März bis Mai 2020 viel über die Arbeit und Führung nach der Krise diskutiert und spekuliert. Schlagzeilen wie „Jetzt beginnt eine neue Epoche für das Büro“, „In der Krise zeigt sich, welcher Chef wahre Führungsqualitäten besitzt“, oder „Leadership will change forever after the Coronavirus pandemic“ bestimmten die Online-Medien. Es war bereits absehbar, dass die Homeoffice-Tür, die zwangsweise geöffnet wurde, nach der Virus-Krise nicht einfach wieder geschlossen werden kann.

Vor allem Führungskräfte stellten überrascht fest, dass die Produktivität der Mitarbeiter im Homeoffice viel höher war als befürchtet. Auch die Effizienz hat nicht oder nur kaum nachgelassen. Wir Mitarbeiter fragen uns im ersten Corona-Herbst: Warum haben sich viele Unternehmen vorher so schwergetan und mobiles Arbeiten – wenn überhaupt – nur zögerlich angeboten?

Der Fairness halber müssen wir zugeben: Homeoffice bedeutet nicht nur, Meetings virtuell mit passender IT-Unterstützung von zu Hause zu erledigen. Die Tools zur virtuellen Kollaboration müssen auch gut genutzt werden. Und Remote Work bedeutet eben auch, dass Führungskräfte und Mitarbeiter sich plötzlich nicht mehr persönlich sehen, und dass Führungsaufgaben nicht mehr wie gewohnt erledigt werden können. Welche Auswirkungen hat das auf die Organisationen und wie hat sich Führung in den vergangenen Monaten verändert? Wir erkennen folgende Phasen:

Umbruch-/ Krisenphase

Die ersten Wochen des Frühjahrlockdowns liefen im Krisenmodus. Es war keine Zeit des langen Nachdenkens. Schnell musste entschieden werden, wie die Geschäftstätigkeit unterbrechungsfrei ins Homeoffice verlagert werden kann. Die wirtschaftliche Schieflage in einigen Branchen und Firmen setzte die Führungskräfte unter Druck und die administrativen Anforderungen bei Kurzarbeit benötigen ebenfalls viel Zeit. Gleichzeitig waren die Chefs insbesondere (auf)gefordert, ihre Mitarbeiter ohne Zeit- und Performanceverluste dabei zu unterstützen, die Arbeit unter den neuen Gegebenheiten gut und effizient zu organisieren und zudem Sicherheit und Stabilität zu vermitteln. Dies geschah unter anderem zu zusätzliche Online-Meetings, meist als Terminserie, die der Informationsweitergabe und dem Austausch zur aktuellen Situation dienen. Wie sind die neuesten Vorschriften? Wer darf ins Büro, oder darf überhaupt jemand ins Büro? Wie geht es weiter, wie arbeiten wir weiter? Gibt es Kurzarbeit oder nicht? Uli, Leiter einer Organisationsentwicklungs-Abteilung eines Automobilzulieferers, nannte Folgendes als größtes Learning dieser Phase: „Die Unsicherheit bei den Mitarbeitern war sehr hoch. Die wesentliche Aufgabe der Führungskräfte war es – unter Umständen durch ad hoc Entscheidungen – Klarheit zu schaffen und diese auch weiter beizubehalten“. Klare Kommunikation ist in der akuten Krise (noch mehr als sonst) ein Schlüssel zum Erfolg.

Alle die (wie wir) dachten, der Lockdown wäre nur eine Sache von ein paar Wochen, die es zu überstehen gilt, erreichten nun den Boden der Tatsachen. Zwischen Ende April und Mitte Juni arbeiteten weiterhin viele Unternehmen zu 100% im Homeoffice. Das bedeutet auch: 100% virtuelle Zusammenarbeit und Führung. Die Erkenntnis, dass sich die Umstände in absehbarer Zeit nicht ändern, änderte die Haltung. Die Führungskräfte fingen an zu überlegen, wie man die neue – rein virtuelle – Führung fruchtbar gestalten kann, um die Zusammenarbeit der Mitarbeiter dauerhaft zu fördern.

Anpassungsphase

So auch Uli, wobei aus seiner Sicht der virtuellen Zusammenarbeit Grenzen gesetzt sind, v.a. dann, wenn es darum geht, gemeinsam kreativ und innovativ zu sein. Hier wirken aus seiner Sicht die Tools und die Anwenderbedienung oftmals beschränkend. Für Andreas, Inhaber einer 30-Mann-Kreativagentur, sind Regelmeetings in dieser Phase noch wichtiger als davor, da sie den regelmäßigen Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sicherstellen und den Zuruf und Austausch im Vorbeigehen ersetzen.

Dem Teamzusammenhalt dienen auch neue Formate wie z.B. Daily-Espresso-Meetings oder „Schwatzen & Schmatzen“ über die Mittagszeit. Weitgehend ohne Business-Bezug betonen Sie die persönliche Note und reflektieren die Unternehmenskultur auch in Remote-Zeiten.

 „Fairness und Offenheit in der Zusammenarbeit sind die wichtigsten Werte“, sagt Timo, Abteilungsleiter einer Entwicklungsabteilung, „nur wer das vorlebt, kann es auch von den Mitarbeitern verlangen“. Sein Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr selbstverantwortlichem Handeln anregen. Sichtbar wird das durch mehr Mitarbeiterbeiträge im wöchentlichen Jour fixe bzw. in der Abteilungssitzung. Er hat erkannt, dass in dieser Anpassungsphase vor allem Transparenz gefragt ist, um das Vertrauen der Mitarbeiter zu erlangen. Gleichzeitig mussten die Führungskräfte lernen, ihren Mitarbeitern zu vertrauen und loszulassen und nach Ergebnissen zu führen, statt Mikromanagement zu betreiben. Hier war der Chef idealerweise wieder mehr Coach und Förderer des Austausches unter den Teammitgliedern und Kollegen anderer Abteilungen.

Dabei, und das steht bei Führung auf Distanz im Mittelpunkt, ist es essenziell, als Führungskraft keinen Mitarbeiter zu verlieren und die unterschiedlichen Bedürfnisse im Blick zu haben. Psychological Safety wird durch ein offenes Ohr für Sorgen und Ängste erreicht und erfordert bei der Führungskraft Emotionale Intelligenz.

Ramp Up Phase

Durch die sinkenden Fallzahlen seit Juni starten Überlegungen, wie ein Arbeitsalltag mit und nach Corona aussehen kann. Wir beobachten sehr unterschiedliche Umgangsweisen mit der Situation, die auch nicht in Korrelation mit der Branche stehen. Andreas hat seinen Mitarbeitern freigestellt, ob oder wann sie (überhaupt) ins Büro zurückkommen. Das Angebot nehmen drei an, die sagen, dass sie sich im Büro besser konzentrieren können bzw. zu Hause aus Platzgründen nicht gut klarkommen. Andere Firmen beordern ihre Büromitarbeiter, mit der Ansage wieder 50-60 % Präsenz zu zeigen, zurück auf die Fläche. Dafür werden Schutzkonzepte entwickelt und umgesetzt. Anwesenheitslisten und Sitzordnungen, die genug Abstand gewährleisten, werden erstellt, Maximalbelegungen in Besprechungszimmern festgelegt und so weiter. Neben der organisatorischen Komponente sollen sie Mitarbeiter anhalten, in ein sicheres Büro zurückzukehren (dabei ist aus unserer Sicht die Anwesenheit des Lieblingskollegen der größere Motivator). Es geht sowohl um physische als auch psychologische Sicherheit, weshalb wir gute Wege finden müssen, wie wir Mitarbeiter, die zur Risikogruppe gehören oder aufgrund persönlicher Gründe lieber weiter von zu Hause arbeiten wollen, integrieren. An dieser Stelle – und in dieser Phase befinden wir uns wieder – ist es als Führungskraft und als Team wichtig, gute Regelungen zu finden, die alle Mitarbeiter einbeziehen. Die weiterhin volatile Situation erfordert jedoch auch Flexibilität und die situationsgerechte Verwendung von virtuellen sowie von Präsenzformaten. Dem Appell von Kirsti Zrunek können wir uns nur anschließen: “Versäumen Sie diese Möglichkeit nicht indem Sie das Pendel zu schnell zurückschwingen lassen, nehmen Sie diesen Anlass um gemeinsam konstruktiv zu sprechen, reflektieren und repriorisieren.”

Zurück zum Ausgangspunkt oder auf in eine neue Zukunft?

Blicken wir nochmals auf die Lazy 8, stellen wir fest, dass unsere Unternehmen gerade am Schnittpunkt der beiden Loops stehen. Somit am Entscheidungspunkt, wie es nun nach der akuten Krisenbewältigung und der darauffolgenden Erneuerung (in der sich die meisten mit der Situation weitestgehend arrangiert haben) weiter geht.

Sehr treffend wird das im Artikel Why the pandemic has been organisational development’s time to shine beschrieben: “…we’ve had a shocking external event that has accelerated organisations’ ability to change, and their belief in their capability.” Die außergewöhnliche, situationsbedingte Änderungsbereitschaft sollten wir ausnutzen, solange noch keine Normalität eingekehrt ist. Statt zurück zum old normal also lieber die großen Veränderungen angehen, vor denen sich bisher alle gescheut haben?! Auch das Handelsblatt bekräftigt: “Führung funktionierte [während des Corona-Lockdowns] über Vertrauen statt Kontrolle. Jetzt gilt es, diese neuen Werte festzuschreiben und nicht in alte Verhaltensmuster und Kommandostrukturen zurückzufallen”.

Die Diskussionen über das new normal (alternativ better oder next normal) zeigen einmal mehr, wie pluralistisch unsere Welt ist. Jeder sollte das Gelernte auf seine Weise mitnehmen, es gibt nicht eine perfekte Lösung für alle. Einige Beispiele sind:

  • 100% remote: Unternehmen wie Facebook, Twitter, Square, Slack, Shopify und Zillow haben verlauten lassen, dass ihre Mitarbeiter überhaupt nicht mehr zurück ins Büro kommen müssen.
  • Erstmal 100% remote: Andere wie Google, Amazon, Universal, Warner, Sony Music sowie einige Banken (z.B. die Scotiabank, Royal Bank of Scotland) wollen ihre Mitarbeiter zumindest bis 2021 im Homeoffice belassen.
  • Hybrid, aber hauptsächlich remote: Bereits Anfang Mai 2020 gab es erste Verlautbarungen, wonach Firmen wie PSA ihre Mitarbeiter nur noch zu einem geringen Anteil (1-2 Tage pro Woche) im Büro sehen wollen. „Die Arbeit auf Distanz soll die Norm für alle Geschäftsbereiche werden, die nicht direkt mit der Produktion verbunden sind.“ Für PSA steht bei diesem Konzept die Kostenersparnis durch weniger Bürofläche im Vordergrund.
  • Hybrid: Siemens hat im Juli öffentlichkeitswirksam sein „New Normal Working Model“ beschrieben, das vorsieht, dass „der Mitarbeiter – in Absprache mit der Führungskraft – denjenigen Arbeitsort wählen soll, an dem er am produktivsten ist. Das hybride Arbeitsmodell schließt daher explizit Arbeitsumgebungen, wie z.B. Co-Working-Büros mit ein. Präsenz-Zeiten im Büro sollen das mobile Arbeiten sinnvoll ergänzen.“ Hier geht es um angepasste Arbeitsmodelle mit 2-3 Tagen pro Woche mobilem Arbeiten als weltweitem Standard. Allerdings wird zu prüfen sein, ob die rechtliche Basis für diese Art der Heimarbeit bereits ausreichend ist. Einzelne europäische Staaten (wie z.B. Spanien) haben gerade durch neue Gesetze Klarheit und Sicherheit geschaffen.
  • Präsenz: Andere Unternehmen fordern ihre Mitarbeiter wiederum dazu auf, (größtenteils) ins Office zurück zu kehren. Dieser Präsenzappell wird meist damit begründet, dass die Effektivität und Effizienz der Mitarbeiter bei hohem Homeoffice-Anteil sinken. Aber auch diese Unternehmen gehen davon aus, dass zukünftig mehr mobil gearbeitet wird als vor Corona.

Die Arbeitswelt nach Covid-19

So gut wie alle Organisationen gehen von einer langfristig veränderten Arbeitswelt nach Covid-19 aus, v.a. in Bezug auf die Art des (Zusammen-)Arbeitens und des Arbeitsorts. Doch die Verlockung, einfach zum Vor-Corona-Ausgangspunkt zurück zu kehren und weiter zu machen wie bisher, scheint für einige Unternehmen sehr groß zu sein.

Für Homeoffice spricht:

  • Bessere Vereinbarkeit Familie und Beruf
  • Wegfall langer Fahrtzeiten und Parkplatzsuche
  • Konzentrierteres Arbeiten, da weniger Störungen
  • Einsparung von Büroflächen (wenn weniger Mitarbeiter vor Ort anwesend sind)
  • Kosten- und Zeiteinsparung durch weniger Geschäftsreisen

Einige der Kontraargumente werden nun, nach einigen Monaten Homeoffice, wieder lauter:

  • Vereinsamung der Mitarbeiter im Homeoffice
  • Schlechte Vereinbarkeit bzw. Trennung von Familie und Beruf
  • Schlechtere Information durch fehlende informelle Kommunikation
  • Höherer Zeitaufwand bei Abstimmungen, da Themen explizit angefragt werden müssen und nicht „im Vorbeigehen“ geklärt werden können
  • Weniger spontanes Teamwork, jeder erledigt seine Aufgaben
  • Doppelarbeit, da die Mitarbeiter nicht mitbekommen, wer an ähnlichen Themen arbeitet
  • Mehr Missverständnisse, da am Telefon/in Emails Mimik und Gestik des Gegenübers fehlen
  • Positionierung und Sichtbarkeit für ambitionierte Mitarbeiter ist schwieriger

Während z.B. bei Banken aus Aufsichtsrechtlichen Gründen Homeoffice nie möglich war – und nun mit Ausnahmeregelungen die Mitarbeiter in aller Eile zunächst technisch ausgestattet werden mussten – liegen in zahlreichen Betrieben, vor allem in der Industrie, bereits seit Jahren Betriebsvereinbarungen zu mobilem Arbeiten vor. Die Nutzung dieser Möglichkeit war aus unterschiedlichen Gründen eher gering. Der Fokus lag eindeutig auf Präsenz, weshalb sich viele Führungskräfte bisher nicht mit Digital Leadership auseinandersetzen mussten. Die Herausforderungen und Veränderungen, die mit der aktuellen Situation einhergehen, sind jedoch viel weitreichender, als die reine Entscheidung, Mitarbeiter von zu Hause arbeiten zu lassen.

Virtuell, Remote oder Digital?

Die Begriffe virtuelle Führung, Führung auf Distanz (long distance leadership), Remote-, Digital- oder E-Leadership bis hin zu Führung 4.0 werden oft ähnlich verwendet. Sie beschreiben im Allgemeinen, welche Führungsmodelle sich eignen, um Teams, die nur virtuell zusammenarbeiten, erfolgreich zu leiten.

Rein virtuelle Teams gab es bereits vor Corona und sie haben den großen Vorteil, dass Experten ihres Fachs standortunabhängig an einem Projekt zusammenarbeiten können. Das spart Zeit und Reisekosten. Zudem ergeben sich Wettbewerbsvorteile, wenn man die weltweit besten Talente zusammenbringt, statt sich nur an einem bestimmten Standort umzuschauen.

Virtuelle Teams bringen jedoch Herausforderungen mit sich. Unterschiedliche Sprachen und Kulturen, genauso wie nicht funktionierende Technik, sind die offensichtlichsten Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit. Daneben sind Strukturen, Rollen und die Verteilung der Aufgaben im Team anders als im Büro. Vor allem jedoch ist die Zusammenarbeit immer unpersönlicher. Daher fällt es Mitarbeitern teilweise schwer, ein gutes Vertrauensverhältnis aufzubauen oder (wie in Zeiten des Corona-Lockdowns) längerfristig zu erhalten. Hier sind die Führungskräfte gefragt, damit es nicht zur Isolation einzelner Teammitglieder kommt oder sich Mitarbeiter nicht mehr mit ihren Aufgaben identifizieren, denn dies würde zwangsläufig zu einer schlechteren Arbeitsqualität und Unzufriedenheit auf beiden Seiten führen.

Folgende Darstellung zeigt übersichtlich, dass bei der Führung virtueller Teams in drei Kategorien gedacht werden sollte.

Die Basis ist ein Mindset, das von Vertrauen, Offenheit und der Bereitschaft zu Lernen geprägt ist. Darauf aufbauend wird am Skillset gearbeitet. Inspiration durch die Führungskraft kann durch offene, transparente Kommunikation und den Transport von Vision, Purpose und Zielen erreicht werden. Orchestrieren beinhaltet das Schaffen klarer Strukturen und Prozesse sowie einer aktiv gestalteten Zusammenarbeit mit definierten Zuständigkeiten. Mobilisieren lässt sich das Team, wenn die Stärken der Einzelnen gezielt für das Team eingesetzt werden. Zum optimalen Ergebnis wird dies von den richtigen Tools, die virtuelle Zusammenarbeit überhaupt erst sinnvoll ermöglichen, eingerahmt.

Folgende Übersicht aus der “Virtual Workforce research CEMBa” zeigt die wichtigsten Einflussfaktoren die die Performance von virtuellen Teams beeinflussen:

Quelle: The Advanced Workplace Institute, Managing the virtual workforce, Juni 2020

Nachfolgend betrachten wir drei elementare Felder, in denen die Führungskraft für den Teamerfolg unmittelbar wirksam werden muss.

Kommunikation

Sie ist ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit, dennoch so elementar, dass wir sie hier nicht ausklammern können. Denn es ist unbedingt erforderlich, ein gutes Kommunikationsnetz auf- bzw. auszubauen, um den fehlenden persönlichen Kontakt zum Team und innerhalb des Teams auszugleichen.

  • Regelmäßige(re) Inforunden helfen, um (pro)aktive Informationen zu verteilen und Fragen zu beantworten. Damit wird Unsicherheit – vor allem wenn widersprüchliche Informationen auf verschiedenen Kanälen kursieren – frühzeitig entschärft.
  • Der Informationsbedarf ist unterschiedlich, weshalb am besten im Team geklärt wird, wie wenig oder viel über welchen Kanal fließen soll, damit es nicht erdrückend wird
  • Daily Stand-ups oder Formate wie die gemeinsame Frühstückspause, die (auch) dem persönlichen Austausch vorbehalten sind bedienen den Bedarf an sozialer Interaktion.
  • Nie war Video so gefragt, ist dessen Einsatz doch die beste Alternative für persönliche Rücksprachen auf Distanz. Für die Führungskräfte ist das vor allem wichtig, um auch nonverbale Hinweise zu bekommen, wie die persönliche Lage seiner Mitarbeiter ist.

Von der Führungskraft erfordert Führung auf Distanz Bewusstsein und Reflektion. Dies kann zum Beispiel über „Kontrollfragen“ geschehen, die ich mir selbst stelle: Konnte ich spüren, wie es meinem Gesprächspartner geht? Weiß ich von allen Teammitgliedern, wie sie auf die Ankündigung der Kurzarbeit reagiert haben? Wie ist die persönliche Situation des Mitarbeiters zu Hause?

Kollaboration

Bewusstsein und Absprache im Team ist ebenfalls essenziell, wenn es um die Grundlagen der virtuellen Zusammenarbeit geht. Statt einer One size fits all-Lösung muss jedes Team – abhängig von den Bedürfnissen und Umständen – Rahmenvereinbarungen zu folgenden Punkten treffen:

  • In welchen Tools ist welche Information zu finden und wo werden Arbeitsergebnisse abgelegt?
  • Wann und wie kann ich meine Kollegen und Ansprechpartner erreichen?
  • Wie sieht unsere digitale Netiquette aus (pünktliche Einwahl, Stummschalten, …)?
  • Brauchen unsere Meetings eine neue Struktur? Ja – wahrscheinlich schon. Fehlen Timeboxing und Meetingbasics (gute Vorbereitung, strukturierte Agenda, Check-in/ Check-out als fester Bestandteil) fällt das in virtuellen Meetings deutlich auf. Und sind in Folge (noch) schwerer zu ertragen.
  • Wer arbeitet gerade woran? Schaffe ich Transparenz durch die Virtualisierung des Teamboards? Benötigen wir Daily Stand-ups zur Koordination der Aufgaben im Team? Oder gehen wir einen anderen Weg?
  • Ist ein dreistündiger Online-Termin sinnvoll? Wir merken alle, wie anstrengend lange Meetings sind. Kann ich die Themen entzerren? Oder anders bearbeiten?
  • Wann habe ich zuletzt Feedback gegeben? Jedem einzelnen Teammitglied? Was vielen Führungskräften schon vorher schwer fiel, darf virtuell erst recht nicht zu kurz kommen. Funktioniert ein Post-It-Reminder am Rechner? Oder hilft es mir, wenn es fester Agendabestandteil in Teammeetings oder Einzelabstimmungen ist? Auch den Mitarbeitern fehlt die Rückmeldung über die Körpersprache – ausgesprochene Wertschätzung ist remote viel wichtiger.

Viele von uns verlassen damit ihre Komfortzone und der erste Schritt fällt schwer. Trotzdem gilt: Probieren geht über Studieren. Das fördert häufig auch unerwartete Erkenntnisse zu Tage. So berichtet Christina, dass Videocalls gerade für Feedback und Entwicklungsgespräche sehr gut geeignet sind. „In Präsenz war es manchmal schwer in ein gutes und tieferes Gespräch zu kommen. Wurde aus kurzem Feedback über den Schreibtisch oder in der Kaffeeküche hinweg ein tieferes Gespräch, bestand immer die Möglichkeit, von Kollegen gestört zu werden. Buchte man einen Meetingraum, war es gleich sehr formell. Ein Anruf mit eingeschalteter Kamera hat sich für uns als gute Mischung erwiesen: die volle Aufmerksamkeit des Gegenübers ist sichtbar garantiert und die vertraute Umgebung sorgt für Sicherheit. Diese Kombination hat bei uns für viele fruchtbare Gespräche gesorgt.“

Mindset und Kultur

A good leader doesn’t only inspire us to have confidence in what they can do.
A great leader inspires us to have the confidence in what we can do.

Simon Sinek

Peu à peu hat sich das Verständnis von Führung in den letzten Jahrzehnten geändert. Wer nicht wollte, konnte sich lange an „das haben wir schon immer so gemacht“ festhalten. Nun stellt die auf den Kopf gestellte Realität die eigene Haltung in Frage. Command and Control ist virtuell eine nervenaufreibende bis unmögliche Führungsform. Leichter tun sich diejenigen, die schon vor Corona weniger als Manager und mehr als Leader aufgetreten sind, sprich über Vertrauen führen.

Quelle: Studie Hays und rheingold institut: Anpassung an eine neue Normalität, © 2020

Die vorhergehende Übersicht aus der Hays Studie zeigt deutlich, wie sich Führungsstile verändern und worauf zukünftig geachtet werden wird.

Sind die Strukturen, Regeln und Basisprozesse gemeinsam abgestimmt und die Ziele transparent festgelegt, ist der Boden bereitet und Eigeninitiative und Kreativität können wachsen. In solchen Teams schätzen Kollegen die Selbstorganisation und erwarten von ihrer Führungskraft Orientierung statt Anweisungen. Klare Entscheidungen (wenn nötig) und das Aufzeigen neuer Perspektiven runden das Bild ab. Wer seine emotionale Intelligenz und Empathie schon vorher trainiert hat, ist in der neuen Welt klar im Vorteil.

Nicht einmal das eigene Büro und die Statussymbole zählen noch, vor dem PC sitzend sind alle gleich. Die Gelegenheit zur Einebnung (zu) deutlich ausgeprägter Hierarchien geschieht hier temporär von allein und ist eine weitere Chance, bewusst und nachhaltig in eine neue Richtung zu steuern.

Das gleiche gilt für die Werte: als Person, als Team, als Organisation. Was wurde sofort über Bord geworfen? Worauf stützen wir uns in der Zusammenarbeit? Passt das zu den Unternehmenswerten? Werden diese auch in der Krise noch gelebt? Möchten wir etwas ändern? Dies (gemeinsam mit dem Team) zu reflektieren und eventuell auch zu intervenieren, ist eine Weichenstellung für die Zukunft.

Egal, wie die Ambition ist: Die Führungskraft muss mehr zuhören und hinsehen, um auch kleine Signale der Mitarbeiter wahrnehmen zu können und frühzeitig angemessen reagieren zu können. Der Aspekt „Mensch“ muss gerade in der virtuellen Zusammenarbeit im Fokus bleiben.

Von der rein virtuellen Führung zur Führung hybrider Teams

Die Verlagerung der Arbeit in den virtuellen Raum hat Führungskräfte wie Mitarbeiter vor große Herausforderungen gestellt, ihre Anpassungsfähigkeit getestet und strapaziert, wurde aber allgemein erstaunlich gut gemeistert.

Mit der (teilweisen) Rückkehr ins Büro entstehen neue Situationen. Manchen Teams wurde die Entscheidung über den Arbeitsort freigestellt. Mitarbeiter, die morgens ihre Kinder in der firmeneigenen Kita abgeben möchten, fahren anschließend nicht wieder nach Hause. Andere Mitarbeiter leben mit besonders gefährdeten Personen in einem Haushalt und wollen zu deren Schutz nicht ins Büro kommen. Und dann sollte schlicht jeder Mitarbeiter unter Berücksichtigung aller Interessen selbst entscheiden können, wo er am besten arbeitet.

Diese Situation mit einem schwankenden Mix aus mobiler Arbeit und Büroanwesenheit wird uns noch lange begleiten – wir sprechen hier von hybriden Teams. Sie stellen die Führungskräfte vor neue Herausforderungen, denn nun sind Arbeitsmodelle gefragt, die keine Mitarbeitergruppe benachteiligen und effiziente Zusammenarbeit ermöglichen. Nun geht es als Führungskraft vor allem darum, dass sich keine in-group, out-group Dynamik zwischen den Mitarbeitern, die im Büro sind und den anderen, entwickelt und dass alle Mitarbeitergruppen gleichen Zugang zu Informationen haben.

Wer schon einmal als Einzige(r) online in ein Meeting eingewählt war, in dem alle anderen zusammen ein einem oder mehreren Meetingräumen versammelt sind, weiß: das ist meistens keine gute Erfahrung, da es schwieriger ist, in die Diskussion mit einbezogen zu werden. Kommentare aus den Meetingräumen sind akustisch schwer zu verstehen und das unauffällige Augenrollen oder beifällige Nicken zu den Redebeiträgen bekommt man nicht mit. Selbst verbales Feedback ist nicht garantiert. Trotz aller Schwächen praktizieren wir dieses Modell regelmäßig.

Es geht aber auch anders. Pitt, Chef der externen Unternehmenskommunikation eines Großunternehmens, sagte im Interview: „wir haben im Team beschlossen, dass sich zukünftig jeder an seinem Arbeitsplatz in Teammeetings einwählt, sobald eine Person nicht in Präsenz teilnehmen kann. Auch dann, wenn mehrere im Büro sind und sich gemeinsam in einen Meetingraum setzen könnten. Damit haben alle in der Konferenz die gleichen Voraussetzungen und können auf Eye-Level miteinander diskutieren. Nur, wenn das ganze Team vollständig im Büro ist, was kurz- und mittelfristig allerdings nicht der Fall sein wird, werden wir das Meeting zusammen in einem Meetingraum durchführen.“

Durch das hybride new normal werden sich die Bürokonzepte weiter entwickeln. Ein Schreibtisch pro Mitarbeiter sind nicht mehr sinnvoll, wenn jeder nur noch 2-3 Tage pro Woche im Büro ist. Desk Sharing Modelle können helfen, die Schreibtisch-Büroflächen zu reduzieren und gezielt Raum für Kollaboration und (sozialen) Austausch zu schaffen – dem zukünftigen Hauptgrund von Präsenz. Trotzdem muss konzentriertes und fokussiertes Arbeiten im Büro möglich sein, nicht jeder Mitarbeiter kann und wird im Homeoffice arbeiten.

Gemeinsam im Team oder bilateral mit der Führungskraft kann festgelegt werden, welche Aufgaben besser für das Homeoffice geeignet sind und bei welchen Aufgaben und zu welchen Zeitpunkten Präsenz wichtig ist – für den Austausch und den Projektfortschritt. Hier sind neue, individuelle Konzepte nötig, die die nötige Balance zwischen beiden Ausprägungen finden.

Dabei geht es nicht mehr nur um Remote-Arbeitsplätze, sondern um Konzepte für die Arbeitswelt 4.0.

Chancen von New Work in Zeiten größerer virtuellen Zusammenarbeit

Unter „New Work“ verstehen wir hier die im Wesentlichen mit Digitalisierung und Vernetzung einhergehende Veränderung unserer Arbeitswelt. In den letzten Monaten gab es einen signifikanten Anstieg bei der Arbeit in virtuellen Teams, dem Einsatz von digitalen Technologien und mehr Kommunikationsmöglichkeiten – alles technologisch-strukturelle Aspekte von New Work. Hier hat sich die Corona-Krise eindeutig als Verstärker erwiesen. In einer empirischen Studie der Energy Factory St. Gallen mit HRpepper Consultants wird dies deutlich:

Quelle: Energy Factory St. Gallen mit HRpepper Consultants: New Work in der Bewährungsprobe

Im April dieses Jahres hat das Marktforschungszentrum INNOFACT eine repräsentative Umfrage zum Thema New Work durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Corona-Krise auch eine Chance ist, da sie eine neue Arbeitswelt prägen könnte: „Die Corona-Krise hat flexible Arbeitsmodelle in kürzester Zeit in vielen Unternehmen und Organisationen zur neuen Normalität werden lassen. Im Homeoffice sind Kollegen und Kunden nur noch einen Videoanruf voneinander entfernt”.

Die St. Gallener Studie stellt allerdings in Frage, wie nachhaltig diese Veränderungen sein werden. Zwar hat sich Corona-bedingt virtuelle Arbeit wie selbstverständlich durchgesetzt, dieser Trend werde jedoch vermutlich nicht anhalten. Denn die Basis zur nachhaltigen Einführung von New Work ist eine (neue) vertrauensbasierte Kultur. Daher werden jetzt nur die Unternehmen einen „echten“ Vorwärtsschub erfahren, die bereits vor der Pandemie die Kulturtransformation begonnen haben und sie nun aktiv weitertreiben, denn Mitarbeiter wie Führungskräfte brauchen weitere Kompetenzen und Skills.

Folgender Satz aus der Studie zeigt auch, warum gerade jetzt Organisationentwickler in den Unternehmen gefragt sind: „Zurzeit haben gerade Top Führungskräfte, aber auch andere Akteure einer aktiven Unternehmensentwicklung die Chance, die besonderen Erfahrungen der aktuellen Lern-Erfahrungen für eine wirkliche New Work-Transformation zu nutzen.“ Dazu gehört sicherlich auch, die Organisationen in ihren Bemühungen bei der Einführung agiler Methoden weiter zu unterstützen. Bereits agil arbeitende Teams zeigten während der Corona-Krise, dass ihre Arbeitsweise auch virtuell funktionieren kann und digitalisierten ihre Kommunikationswege nun vollständig, z.B. durch virtuelle Retro-Boards, auf die alle gleichberechtigt zugreifen können. Organisationsentwickler und Führungskräfte können agile Teams unterstützen, indem sie für optimale Arbeitsbedingungen trotz physischer Distanz sorgen und gegebenenfalls Strukturen anpassen. Gleichzeitig sollte aber auch ein Kulturwandel in den Unternehmen vorangetrieben werden, der New Work nachhaltig möglich macht. Ebenso bedarf es einer Anpassung des Führungsstils hin zu “Digital Leadership”. Dieser ist geprägt davon, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter ermutigen, Neues auszuprobieren und Ideen auch umzusetzen. Networking, Information Sharing und Lernen aus Fehlern gehören hier auch dazu. Agilität ist eine Haltung, kein Zustand.

Dies ist ein Ausschnitt aus einer Serie von 5 Artikeln zum Thema Corona als Lernchance für Organisationen: Was nehmen wir mit aus der Krise?

  1. Krisen-Hypothesen
  2. Virtuelle und hybride Führung
  3. Kommunikation
  4. Recruiting und Onboarding
  5. Fazit und Weiterlesetipps
[Titelbild] [Whitepaper] Corona als Lernchance für Organisationen: Was nehmen wir mit aus der Krise

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