In jeder Krise steckt auch eine Chance, das gilt auch und vor allem für Corona. Im organisationalen Kontext stell(t)en wir uns die Frage: Was nehmen wir mit aus der Krise? In diesem Artikel fassen wir unsere Erkenntnisse aus der monatelangen Recherche und Schreibphase zusammen, präsentieren außerdem das Titelbild in voller Pracht und haben noch einige (Weiter-)Lesetipps zum Thema.
Über diese Arbeit und über uns:
Man nehme drei möglichst unterschiedliche Autoren, also: drei Unternehmensgrößen (< 1.000, < 10.000, < 400.000), drei unterschiedliche Bereiche (Finanzen und Controlling, Organisationsentwicklung, Produktmanagement), drei unterschiedliche Corona-Erfahrungen (gefragte Produkte und sehr viel Arbeit, massiver Umsatzeinbruch und sehr viel Arbeit, Umsatzeinbruch und Kurzarbeit) und stecke diese Personen über Monate regelmäßig in Zoom-Calls. Im Rahmen einer Organisationsentwicklungsfortbildung ist daraus dieses Paper entstanden, dessen Inhalt wir mit viel systemischer Neugier heiß ausdiskutiert haben. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und freuen uns auf Eure Gedanken!
– Elisabeth Neugebauer, Corinna Both und Serkan Yildizoglu
Was heißt das nun?
Wir wissen, das Virus wird uns noch eine Weile begleiten. Vielleicht ist das gar nicht schlecht. In unserem Interview sagte Christina: „Corona ist für die Organisationsentwicklung ein Boost-Knopf. Es gehen auf einmal Sachen, die früher undenkbar gewesen wären.“ Diese Bewegung sehen wir in allen drei Themenschwerpunkten, die wir behandelt haben: Führung, Kommunikation und HR in virtuell-hybriden Zeiten. Vielen macht diese Bewegung eher Angst, schließlich liegt diese (nahe) Zukunft voller Unsicherheit vor uns. Wer, wie wir, die vielen Chancen sieht, die sich aus diesem unerwarteten Schleudergang ergeben, der kann sich mit dieser Erkenntnis nicht zurücklehnen. Wir packen unser Mindset ein und springen bewusst in den anderen Loop der Lazy 8, in die Veränderung und in die Zukunft.
Unsere Abschlussgedanken dazu sind:
Mutig bleiben!
Die uns bisher unbekannte Situation mit 100% Homeoffice, neuen Tools und neuen Verhaltensweisen sorgte (temporär?) ungewollt für die Fehlerkultur, über die seit Jahren gesprochen wird. Selbst Unternehmen, die sich bisher nur schwer vorstellen konnten, wie man etwas ändern soll und kann, probierten nun (notgedrungen) aus. Auch wenn „seht ihr meinen Bildschirm?“ und „können sich bitte alle stummschalten“ vielleicht immer noch die häufigsten Sätze in Onlinemeetings sind, so ist doch die Kompetenz nach mehreren „oh, das hat nicht geklappt, ich probiere es nochmal“-Versuchen in allen Mitarbeiterreihen gestiegen. Führungskräfte stellten (eigentlich) fest, dass sie sich darauf verlassen können, dass ihre Mitarbeiter auch im Homeoffice arbeiten und nicht tagein tagaus Rasen mähen. Das sollten wir nicht wieder vergessen.
Mut ist nicht nur in der Not eine Tugend. Es ist verständlich und menschlich, dass vor allem unsere Chefs Angst vor Kontrollverlust haben und dem mit Regeln Herr werden wollen. Wir wünschen uns, dass in dieser Situation nicht der Panik-Autopilot übernimmt, sondern wir innehalten und reflektieren, was uns Sorgen bereitet. Und im nächsten Schritt: sie aussprechen und gemeinsam mit dem Team überlegen, wie die Zukunft aussehen soll.
Je mehr die Unternehmensführung durch die Krise erkennt, dass das bisherige Geschäftsmodell nicht (mehr) tragfähig ist, desto wichtiger ist es. Verunsicherte und aufgerüttelte Mitarbeiter suchen ebenfalls nach Leitplanken. Und die können in eine neue Richtung zeigen. Veränderung ist aktuell einfach, wenn ernstgemeinte „seid mutig“-Impulse aus der obersten Führungsebene kommen.
Und vielleicht stimmt ihr auch mit Maike in der halben Überraschung überein, dass sich die Transparenz in der Kommunikation der letzten Monate bewährt hat (huch!) und alle gut damit umgehen konnten. Macht das die Zukunft nicht einfacher?
Gutes säen!
(Neue) Geschäftsmodelle und die benötigten Innovationen, die sich viele Unternehmen gerade herbeiwünschen entstehen selten im Boardroom. Sie kommen aus der Belegschaft. Von Teams, die Ideen haben und für ihr Thema brennen.
Ein Blick zu den Erfolgen der Vergangenheit ist erlaubt: Was waren damals die Erfolgsfaktoren? Waren nicht häufig die Zeiten widrig, die Budgets klamm und die Personaldecke dünn? Waren es aber Aufgaben und Ideen, die mit Enthusiasmus und Energie angegangen wurden? Zu Beginn diffuse Impulse, denen wir uns geöffnet haben? Und Weitblick und Pioniergeist erlaubt haben? Jetzt sind wir wieder da. Graben wir den Boden um, damit er bereit ist für neue Ideen. Und stellen wir die Gießkanne bereit, um sie täglich mit frischem Wasser und Nährstoffen zu versorgen. Dazu gehört auch, die Ideen vor Vandalismus in Form von „das bringt doch eh nichts“ und „das haben wir noch nie so gemacht“ zu schützen und sich in der Hoffnung auf reiche Ernte nicht von einem Sturm entmutigen zu lassen. Durch das Teilen des Wissens und Begeisterung gewinnen wir weitere Unterstützer, die unsere Pflanzen mitanfeuern, bis daraus ein Baum wird, der Früchte trägt.
Um die Drecksarbeit des Umgrabens zu Beginn kommen wir dabei nicht herum. Macht aber nichts, wir haben ein Ziel vor Augen. Und nur wer Gutes sät, kann Gutes ernten.
Weiter Lernen!
In den vergangenen Monaten haben wir gelernt, unsere (Arbeits-)Tage neu zu strukturieren. Wir können Tools bedienen, von deren Existenz wir vor einem halben Jahr noch nichts wussten. Die Not hat uns erfinderisch gemacht – wir haben unsere Kreativität wiederentdeckt. In allen professionellen Bereichen sind neue Formate entstanden. Führungskräfte gestalten ihre virtuellen Meetings partizipatorischer, vielfältigere Themen erobern die interne Kommunikation, neue Communities entstehen und frischangestellte Mitarbeiter bekommen durch interaktive Inhalte schnellen Zugang zu den Themen und ihrer Organisation. Diese Aufbruchsstimmung ist anstrengend und das Tempo atemberaubend. Es muss nicht so schnell bleiben, solange wir – als Individuum, als Organisationentwickler und als Organisation – „dran bleiben“ und uns in Richtung Growth Mindset nach Carol Dweck weiterentwickeln. Das bedeutet, die Neugier zu kultivieren, erst einmal mit wenig anzufangen, immer wieder Neues auszuprobieren und nicht beim ersten Misserfolg aufzugeben. Sondern es wieder und/oder anders zu probieren und den Weg und die Erfahrungen zu schätzen. So werden wir, das hat sie wissenschaftlich belegt, besser und erreichen mehr. Für uns persönlich, aber auch für unsere Organisationen, deren Überleben von unseren guten Ideen und Innovationen abhängt. Behalten wir also die „kenne ich nicht, ich schau mir kurz das Webtraining an“-Attitüde, lernen wir weiter von und mit unseren Kollegen und probieren einfach mal aus.
Covid-19 und seine Implikationen haben wir uns alle nicht vorstellen können. Wir wissen nicht, was als nächstes kommt, aber das Gefühl, das nun wirklich alles möglich ist, lässt uns nicht los. Das ist anstrengend und aufregend – aber wir sind dabei! Du auch?
Die Zukunft hat viele Namen.
Victor Hugo
Für Schlaue ist sie das Unerreichbare,
für Furchtsame das Unbekannte,
für Mutige die Chance.
Zum Weiternachdenken empfohlen: das Titelbild

Zum Weiterlesen und -hören empfohlen
- Advanced Workplace Institute: Managing the virtual workforce (Management Summary), 16.06.2020
- Bertelsmann Stiftung: Studie zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht (Begleittext), Juli 2020
- Capital: Die neue Kunst der Führung, August 2020
- Carol Dweck: TED-Talk Der Glaube an die eigene Lernfähigkeit, November 2014
- Change Circle: Virtuelle Zusammenarbeit. Physische Distanz ohne soziale Isolation, April 2020
- dpa: Whitepaper New Normal. Wie die Corona-Krise die Arbeitswelt und Markenkommunikation verändert
- Energy Factory St. Gallen mit HRpepper Consultants (Heike Bruch und Matthias Meifert): Impulsstudie New Work, April 2020
- FAZ (Christian Schubert, Susanne Preuss): Homeoffice für immer, Mai 2020
- Finance Magazin: Onboarding in Zeiten von Corona, Juli 2020
- Finance Magazin: Wie Corona das Recruiting verändert, Juni 2020
- Forbes (Glenn Llopis): Leadership will change forever after the Coronavirus pandemic, April 2020
- Fraunhofer (Stefan Rief): Jetzt beginnt eine neue Epoche für das Büro, Mai 2020
- Handelsblatt (Angelika Ivanov und Anne Koschik): So machen Führungskräfte die Rückkehr aus dem Homeoffice zum Erfolg, 06.08.2020
- Handelsblatt (Kirsten Ludowig): In der Krise zeigt sich, welcher Chef wahre Führungsqualitäten besitzt, März 2020
- Handelsblatt: Yuval Harari: „Wir werden in einer anderen Welt leben, wenn die Krise vorbei ist“, März 2020
- Harvard Business Publishing (Ravin Jesuthasan): Webinar Reimagining Work in the Pandemic and Beyond
- Hays & Rheingold Institut: Anpassung an eine neue Normalität, © 2020
- Job Ambition (Patrick Schuhmann): Leitfaden Employer Branding, November 2018
- ManagerSeminare: Crashkurs in Empathie, September 2020
- ManagerSeminare: Die Neuropsychologie der Distanz, August 2020
- ManagerSeminare: Führen per Chat, August 2020
- McKinsey & Company: A blueprint for remote working: Lessons from China, März 2020
- McKinsey & Company: Reimagining the office and work life after corona, Juni 2020
- New Management Haufe: “Was wir jetzt üben, könnten wir in die Zukunft retten”, 14.04.2020
- People Management (Robert Jeffery): Why the pandemic has been OD’s time to shine, 04.06.2020
- Robert Half: Der richtige Recruitingkanal für Ihre Zielgruppe, 2020
- Siemens AG Presseinformation: Siemens etabliert mobiles Arbeiten als Kernelement der “neuen Normalität”, 16.07.2020
- Simon Sinek: TED-Talk How great leaders inspire action, 2009
- Springer Professional (Alfred Burkhart): Was Führungskräfte aus der Pandemie lernen können, September 2020
- Trendreport (Andreas Schnittker): Führung nach Corona: Was ändert sich eigentlich?, April 2020
- Vieconsult (Kristi Zrunek): Von Shut-Down zu Re-Entry – Die Rückkehr nach Corona ins Büro, 16.06.2020
- Zukunftsinstitut: Podcastserie “Treffpunkt: Zukunft”, 2020
- Zukunftsinstitut: Whitepaper Der Corona-Effekt. Vier Zukunftsszenarien, März 2020
- Zukunftsinstitut: Whitepaper Die Wirtschaft nach Corona, April 2020
Dies ist ein Ausschnitt aus einer Serie von 5 Artikeln zum Thema Corona als Lernchance für Organisationen: Was nehmen wir mit aus der Krise?