Ein wenig unfreiwillig waren es deutlich mehr La Paz-Tage als gedacht… Denn:

Von der Isla del Sol (seither schlafe ich gut!) wollte ich nach Sorata – der Ort liegt gleich um die Ecke und auf erholsamen 2600 Metern… Es gibt keine Direktverbindungen, aber man kann sich unterwegs in Huarina an der Straßenkreuzung rauswerfen lassen, auf die andere Straßenseite gehen und einen aus La Paz kommenden Bus anhalten. Was ich völlig unterschätzt habe: es ist Sonntag und ganz Bolivien ist unterwegs. Innerhalb einer guten halben Stunde kommen vier Sorata-Minibusse vorbei, aber alle sind voll. Möchte nicht erst im Dunkeln irgendwo ankommen. Also doch auf Nummer sichr und nach La Paz. Sorata sollte wohl nicht sein. 

Habe mit Irineo mein Bergprogramm klar gemacht. Gehe zum Geldautomaten (von BCP) auf der anderen Straßenseite, stecke meine Karte ein und – der Automat fährt sich runter. Kreditkarte weg. Na toll!
Ich stelle positiv überrascht fest, dass die Bank auf der Homepage einen Call-Button hat und man übers Internet mit denen telefonieren kann. Ich erkläre meine Lage, diktiere meinen (Nach!)namen, meine Telefonnummer und sie melden sich morgen bei mir…

Also gehe ich doch nicht zwei Tage wandern, sondern auf den Friedhof. Dank Ana wusste ich, dass die Ñatitas gefeiert werden. Das ist quasi die Fortsetzung des día de la muerte. Dabei werden die Totenköpfe auf dem Friedhof ausgestellt, geschmückt und vor ihnen/für sie gebetet. Diesmal mit weniger Alkohol, aber deutlich mehr Zigaretten und Coca. Musik gabs auch wieder. Auf dem Cementerio Central war viel Presse und einige Touris unterwegs, mit Maske und Sonnenschutz habe ich mich unter die Menschenmasse gemischt. Konnte dieses Mal also alles besser anschauen und fotografieren.
Der Bürgermeister von La Paz war auch da. Gut, dass er eine Weste mit Alcalde auf dem Rücken anhatte, sonst wüsste ich jetzt nur, dass ein Polizeibegleiteter Promi unterwegs war. Er hat natürlich 1000 Selfies mit sich machen lassen, vor vielen Totenköpfen gebetet und zahllose Hände geschüttelt. Sehr witzig fand ich, als ein Bürger beim Händeschütteln grinsend meinte: „Freut mich. In der Karwoche habe ich übrigens gegen dich demonstriert“ und beide einfach gelacht haben.

Und die Bank? Die habe ich nochmal angerufen. „Oh nee, es war noch niemand an dem Automaten. Die Karte holen Sie dann in der Zentrale ab, aber wir melden uns vorher per WhatsApp.“ Weil ich keinen Bock habe, in der Stadt rumzusitzen und zu warten, dass sich niemand meldet, lasse ich die Karte erstmal gut sein (klar, hab noch ne zweite). Bin zwar immer noch gut verschnupft, aber ich will jetzt in die Berge!!

CERRO KOLINI / Q’ULINI (4982m) & CERRO SATURNO (5006m)

5000! Wohoo! Was man jetzt nicht erzählen darf, ist, dass ich die Tour auf 4700 Metern angefangen habe. Und noch weniger, dass man bis 4900m hätte hochfahren können. In Summe eine gute Eingehtour, nie zu steil, aber doch ein Test. Und zwei richtige Gipfel, dass ist doch schon mal was (nicht so wie mein Grashügel aka Kala Pattar im Himalaya).

Aber 1: Wollte gern früh zurück sein – und dementsprechend früh an den Berg. Nach einem fixen Frühstück kam der Minibus zum Yungas-Busterminal (also einem Stück Feld, auf dem viiiiiele Busse mit laufenden Motoren stehen und ungefähr gleich viele Menschen Fahrtziele durch die Gegend schreien) zwar schnell – aber nicht schnell vorwärts. Irgendwann ist es doch geschafft. Ich laufe an einem Coroico-Minibus vorbei und sehe, dass noch fast alle Sitze frei sind. Gehe erstmal Pinkeln. Als ich zurückkomme, fährt er los. Mist! Die Minibusse im Regionalverkehr haben keine festen Abfahrtszeiten, sondern fahren, wenn alle Plätze besetzt sind. Im nächsten bin ich auf Platz 3. Von 18. Bis die zusammen sind und wir losfahren dauert es eine gute halbe Stunde. Und dann gar nicht lang, bis ich am Pass aussteige. Fazit? Distanz zum Hotel: 25km. Dauer: 2 Stunden.

Aber 2: Hinter den Gipfeln fällt das Gelände steil ab in die Yungas (dem gemäßigten Regenwald). Von dort ziehen Wolken hoch und es sieht mit der Sonne im Rücken durchaus spektakulär aus. Bis ich allerdings oben bin und in die Yungas schauen KÖNNTE, ist die Wolkendecke dicker geworden. Auf dem Weg zum ersten Gipfel sehe ich immer wieder höhere Berge und Gletscher zwischen den Wolken hervorspitzen. Statt wieder aufzuklaren, zieht es immer mehr zu. Am zweiten Gipfel beträgt die Sicht noch 20 Meter. Ich sehe nur, dass es steil bergab ins Graue geht. Auf dem Rückweg bin ich froh über die Fahrwege, das macht die Wegfindung einfach. Übrigens, wenn feucht-warmes Klima auf trocken-kaltes trifft ist das Ergebnis feucht-kalt. Nicht so angenehm… Der Nationalparkmensch erzählt mir, dass das jeden Tag so ist. Aber wenn man zwei Stunden früher kommt, ist es total toll. Warum steht das nicht im Rother?

CARRETERA DE LA MUERTE / DEATH ROAD

Es geht im privaten Tourtransport zum gleichen Pass von gestern. Und, was denkt ihr, wie lange der Zeitraum Hotel bis Tourstart ist? Genau, DREI Stunden. Wir mussten ja häufiger halten – bis jeder Guide sein Lieblingsfrühstück hatte, Toilettenstop am Shop, Kaffee und (Coca-Tee) am Pass. Dann die Schutzklamotten anziehen und die Moutainbikes ausprobieren. Gut, dass ich schlechte Bremsen gewöhnt bin. Gut, dass ich damit „nur“ 3.600 Höhenmeter auf der Death Road bergab radeln will.

Wikipedia beschreibt es herrlich tragisch:

Die alte einspurige Straße führt zumeist ohne Leitplanken an steilen Abhängen entlang, auch sorgen Regen und Nebel sowie matschiger, morastiger Untergrund häufig für einen schlechten Straßenzustand mit geringen Sichtweiten. Sie ist daher extrem schwierig und nur unter großer Gefahr zu passieren. Mit Steinschlag oder Erdrutschen aufgrund von Erosion ist jederzeit zu rechnen. Ein Unglück vom 24. Juli 1983, bei dem ein Bus ins Schleudern geriet, in eine Schlucht stürzte und die 100 Insassen in den Tod riss, gilt als Boliviens schlimmster Verkehrsunfall. Einer Schätzung zufolge verunglückten bis 2007 pro Monat zwei Fahrzeuge und es starben jährlich 200 bis 300 Reisende auf der Strecke. Zahlreiche Kreuze am Straßenrand markieren die Unfallstellen. Im Jahr 1995 wurde die Yungas-Straße von der Interamerikanischen Entwicklungsbank zur „gefährlichsten Straße der Welt“ ernannt. Seit den 1990er Jahren ist die Yungas-Straße aber gerade deswegen ein beliebtes Touristenziel. Vor allem Mountainbiker schätzen sie als Route zum Downhill-Biking.

Downhill-Biking würde ich das nicht nennen. Die Straße hat überall die Breite eines ordentlichen deutschen Forstwegs und seit der endgültigen Sperrung für den normalen Verkehr 2007 ist es de facto eine Fahrrad(einbahn)straße. Aber – huiuiui – die Vorstellung, dass das eine reguläre (!) Straße mit Verkehr in beide (!) Richtungen war ist wirklich absurd!

Hab lange überlegt, ob ich die Tour überhaupt machen soll. Überzeugt hat mich die Aussicht auf einen halben Tag in tropischem Klima. Freies Atmen!! (Und Mücken – alles hat seinen Preis…) Wenn wir geradelt sind, hat es Spaß gemacht (16 Teilnehmer + sehr viele Fotostopps = wenig Netto-Radelzeit). Zwischendurch hats kurz gewittert. Ist super schnell wieder getrocknet, aber der Matsch macht die Fotos auf jeden Fall abenteuerlicher.
Bremsen braucht man tatsächlich kaum: Im ersten Teil war der Gegenwind so stark, dass wir treten mussten. Und auf der alten Straße war es auch nie richtig steil. Vorausschauend und so ;).

Am meisten Spaß hatten tatsächlich die, die noch nie auf einem Mountainbike saßen.

Noch Unnützes Wikipedia-Wissen: Eine lokale Verkehrsregel schreibt für die Yungas-Straße, abweichend vom bolivianischen Rechtsverkehr, Linksverkehr vor, damit die links sitzenden Lenker bei einer Fahrzeugbegegnung den Fahrbahnrand besser einsehen können; eine Fehleinschätzung hätte fatale Folgen. Auch auf einigen anderen ähnlich gefährlichen Straßen wird links gefahren. Ein weiterer Grund für den Linksverkehr ist, dass so die bergauf in Richtung La Paz fahrenden und überwiegend schwer beladenen Fahrzeuge bei Ausweichmanövern auf der dem Berg zugewandten und damit besser befestigten Straßenseite fahren können.

Und dann endlich: 6 Tage / 5 Nächte in der Cordillera Real!!

Vorbemerkung: Mit Irineo von Mountain Illimani haben wir eine private Tour für mich zusammengebastelt. Gruppen finden sich in der aktuellen Nebensaison nur noch für die Top-Tour Huayna Potosí und ich will mehr machen. Nur für die Gletschertouren bräuchte ich definitiv einen Guide, den Rest könnte ich theoretisch alleine. Heißt dann auch: Transport, Essen und Unterkunft müsste ich mir selbst organisieren und mich selbst orientieren (in den Karten sind keine Wege eingezeichnet. De facto gibt es aber viele Trampelpfade). Naja, und eine Bergrettung, wie wir sie aus den Alpen kennen, gibts in Bolivien bei weitem nicht. Ich finde es schon beruhigend, wenn jemand dabei ist, der sich vor Ort auskennt…

Los geht es: Wir fahren in die Pampa und wandern zum Base Camp im Condoriri Park (4670m). Base Camp heißt in diesem Fall auch Basic Camp. Die Hütte ist minimal ausgestattet. Draußen liegt überall zwischen den Felsen Klopapier, weil die Guides die Wanderer und Bergsteigerinnen nicht darauf hinweisen, dass es ein Toilettenhäuschen gibt. Es wahnsinnig trocken, ziemlich windig und dementsprechend staubig. Aber auch: Dauer-Sonnenschein und wunderschöne Szenerie mit Blick auf Lagune, Berge und Gletscher. Ich bin drei Nächte dort und habe die Zeit „die große Langeweile“ getauft. Kein Handyempfang, kein Strom, kaum Leute, nichts zu tun. Das lässt Zeit für Details. Ich freue mich zum Beispiel ausführlich, dass die Nebengipfel vom Cerro Condoriri Ala derecha bzw. Ala izquierda (rechts davon/links davon) heißen.

CERRO AUSTRIA (5320m)

Das ist ein netter Wandergipfel, der vor allem aus Akklimatisierungsgründen im Programm ist. Er ist einfach, ich aber nicht schnell. Ab 5000 Meter muss ich alle paar Schritte stehen bleiben und Luft holen. Hallo Schildkröte!

Die Aussicht von oben ist wunderschön, bis zum Titicacasee. Ich finde es faszinierend, wie viel sich da auf kleinem Raum sammelt. Wie hoch die Berge aus der Ebene ragen und wie steil es dahinter ohne Puffer in den Regenwald abfällt.

Weil Irineo beschließt, dass wir einfach durchs steile Schuttfeld runterrutschen, sind wir um 10:30 Uhr zurück am Campo Base. Tagwerk erfüllt.

Auf meinem windgeschützten Liegestuhlstein verbringe ich den Nachmittag, versuche mich nicht zu verbrennen, und lese. Hab mir extra Reinhold Messners Buch über seine 14 8000er-Besteigungen ausgesucht, weil ich dachte, wir könnten zusammen leiden. Da beschreibt er wie einfach der dritte Achttausender war, während ich nach einer Halbtagestour so erledigt bin, dass ich den ganzen Nachmittag schlafen könnte. Na danke.

PEQUEÑO ALPAMAYO (5370m)

Der „große“ Alpamayo steht in der Peru, der kleine Bruder eben hier in der Cordillera Real. Es ist ein schöner vergletscherter Berg. Nicht so hoch und technisch nicht ganz einfach. Wer zu Hause noch nie auf Hochtour war kommt nicht auf die Idee da hochzusteigen.

Ich fragte mich allerdings im Schein meiner Stirnlampe (wir sind um 1 Uhr gestartet) sehr wohl, wie ich auf die Idee gekommen bin da hochzusteigen. Erst ist mir viel zu warm, später dann zu kalt. Ich komme vorwärts, aber es ist mühsam. Weiter oben muss ich wieder häufig stehen bleiben und diesmal aktiv meine Atmung kontrollieren, damit das nicht Richtung hyperventilieren abdriftet. Was ich witzig fand: ich durfte die Steigeisen nicht alleine anziehen. Da habe ich mich schon wie eine Dreijährige gefühlt, aber mehr Zeit zum Atmen ist auch okay!

Man steigt zuerst zum Tarija auf und muss dabei Gletscherspalten umgehen oder drüber springen. Später noch über eine Felsnase hoch- und runter klettern und dann steht man vor dem steilen Gipfelaufschwung. Dort wurde der Himmel rot und die Sonne ist aufgegangen, während wir hochgkraxelt sind. Das war wiederum toll. Auch alleine auf dem Gipfel zu stehen.

Durch das Auf- und Ab war auch der Weg zurück nicht ganz so schnell und hat sich etwas gezogen. Jetzt konnte ich mir aber alles so richtig anschauen. In meiner ausführlichen (haha) Reisevorbereitung sind mir die penitentes *, die zum Ende der Saison die Bergsteiger ärgern, bereits begegnet. Jetzt sehe ich sie zum ersten Mal in echt. Verrückte Dinger!

* Bei uns gibt’s das nicht. Auf Deutsch heißt das Phänomen Büßereis. Je nachdem, wie schlimm es ist, sind sie leicht bis mega nervig. Können eine Besteigung aber auch unmöglich machen – so wie den Sajama (höchster Berg Boliviens).

Um 10 Uhr waren wir zurück am Camp und ich hab den restlichen Tag unter anderem damit verbracht, Alpakas, Lamas und Schafen beim Grasen zuzuschauen. Außerdem kam noch ein Paar aus Ulm und es war ein Kirchenchor (behaupte ich, weil sie Choräle gesungen haben) da, der im Spätnachmittagslicht mit Drohne und Fotografen Aufnahmen gemacht hat. Ein hochspektakulärer Tag!

(es geht bald weiter…)


Spannende Themen!

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Wird verarbeitet …
Danke! Wir lesen uns dann bald…

2 Comments

  1. Wow Eli, ich sag’s dir gern immer wieder, du bist echt der Hit! Mega beeindruckend was du da machst und grandiose Bilder!!

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