In den Wochen in Athen im Frühjar beobachtete ich sehr viel. Außer beim Schlafen (Augen geschlossen) und beim Joggen (noch zu wenig Griechen unterwegs). Aber sonst entweder was Doros Nachbarn so machen (auf dem Balkon sitzend) oder beim Arbeiten wahlweise den Laptop-Bildschirm und ihre Meerschweinchen.
Als ich bei Doro ankam, gab es Costas und Fritz – also zwei Männchen. Die haben viel gequiekt und sich nicht so viel bewegt. Vor allem waren sie sehr schüchtern. Sobald wir uns in der Wohnung bewegt haben, haben sie sich unter ihr Dach gerettet. Die darüber liegende bel étage (zweite Ebene) mit einladender Freitreppe wurde nicht mal zur Kenntnis genommen. Costas hat sich unten schon auch mal bewegt, Fritz hingegen … kaum. Er ist definitiv der größere Schisser von beiden, oder um es positiver auszudrücken: der Vorsichtigere. In ganz kurz kann man auch sagen, dass es gar nicht so viel zu beobachten gab.
Dann stellte sich heraus, dass Costas ein Weibchen ist. Fritz aber ein Männchen. Wir waren noch in Quarantäne (Doro wegen eines positiv-getesteten Arbeitskollegen, ich wegen Einreise aus dem Risikogebiet Deutschland), somit konnte der Umtausch eines Meerschweinchens nicht sofort vonstatten gehen, musste aber geschehen, bevor die Meerschweinchen die Überhand gewinnen…
Long story short: Doro hat entschieden, dass es ein Frauenhaushalt werden soll und Fritz hat uns verlassen. Dafür ist Fritzi eingezogen, die so heißen musste, weil sie äußerlich eine Mini-Version von Fritz ist. Charakterlich könnten die beiden aber nicht unterschiedlicher sein. In den ersten Tagen hatte sie nichts zu melden. Costas (sie muss weiter so heißen – als Ausgleich für Emily, das männliche Meerschwein aus Doros Kindertagen) hat bestimmt, wann und was sie fressen darf und wo im Käfig sie sich aufhalten darf. Das war schwer mit anzusehen, aber es war bereits absehbar, dass Fritzi sich durchsetzen wird.
Und: was für ein Wandel! Fritzi hat sich ihren Platz erkämpft und vor allem auch alles sehr neugierig inspiziert. Auch gerne auf den Hinterbeinen stehend aus dem Käfig schauend – wenn sie mal größer ist, muss der Käfig geschlossen werden, sie wird bestimmt rausspringen. Bei Costas, die alles argwöhnisch betrachtet hat, konnte man auch Veränderungen vorstellen. Richtig überrascht hat sie uns, als sie dann tatsächlich mit einem hocheleganten Satz auf die zweite Etage gesprungen ist – da hat es einfach zu gut nach Karotte gerochen! Fritzi konnte es nicht fassen. Sie ist einfach noch zu klein für solche Sprünge und hat dann die Treppe entdeckt. Die ist Costas nicht geheuer, sie springt immer hoch und runter. Und: Fritzi würde das auch gern. Sie traut sich aber noch nicht so richtig. Sie steht da wie ich auf dem Dreimeterbrett: “Ich weiß, dass das geht, aber…. Das ist tief!!!”. Und wie wir als Kinder bei unseren Spring-Wettbewerben auf der Schlossfreitreppe springt sie dann von der Leiter: Jedes Mal eine Stufe höher. Irgendwann war sie dann ganz oben und hat sich getraut. Nach den erstem Mal (als wir es gesehen haben) hat sie vor Freude Bocksprünge durch den Käfig gemacht.
Costas ist ebenfalls wie verwandelt. Sie bleiben immer häufiger draußen sitzen, wenn wir vorbei laufen. Sogar oben, wo sie ja völlig ungeschützt sind…
Ja, das war jetzt viel Meerschweinchenbeschreibung. Und wozu? Weil ich eine Analogie ziehen möchte.
Zu dem, was Thom Plummer in When you are young beschreibt, wenn er sagt, dass Freunde dein Leben definieren und du immer nur so gut sein wirst wie die Menschen, die du in dein Leben gewählt hast.
When you are young
Friends define your life.
You will always only be as good as the people you choose to have in your life. […]
A person who is a true friend will push for your success and hold you accountable for using your talent and gifts. Real friends don’t give a damn about who you live with, how messed-up you were this week, or if you just had your ass kicked.
That friend will listen, buy the next round, point out the stupidity of your plan and then support you no matter how jacked-up your life is today.
Thomas Plummer
Costas hatte zwar keine freie Freundeswahl und dieser Versuch war gar nicht geplant. Aber mir fielen Plummers Worte dann eben wieder ein – und danke Costas für den Beweis. Ob Fritz die zweite Ebene jemals entdeckt hätten, wissen wir nicht. Auch nicht, ob Costas das neue aktive Leben nicht vielleicht auch manchmal anstrengend findet. Von außen gefällt es mir so besser. Und die These ist ja: Deine Umfeld prägt dich. Und du entscheidest über dein Umfeld.
Deshalb eine Runde Selbstreflektion: Wie reagieren deine Freunde auf deine Ideen und Pläne? Bremsen oder unterstützen sie dich? Sind sie sportlicher als du? Sind sie neugierig und offen für neue Themen? Interessieren sie sich für die gleichen Themen wie du auch? Das bleibt ja nicht ohne Konsequenz.
Wenn du dir nun also (Herzens-)Ziele setzt, dann ist es sehr hilfreich, die “richtigen” Freunde zu haben. Also solche, für die dein Ziel schon selbstverständlich ist / die es schon mal gemacht haben / die verstehen, was dich antreibt und dein Projekt aus vollem Herzen unterstützen.
Wenn dem so ist: herzlichen Glückwunsch! Ich würde vorschlagen, dass du gleich eine Runde schmeißt und ihnen (mal wieder?!) sagst, wie sehr du dich über das Feedback und den Support freust.
Das tun sie nicht? Ich möchte nicht so weit gehen zu sagen, dass du sie sie gegen mutigere Freunde umtauschen solltest.
Aber suche dir doch freundliche Unterstützung über unterschiedliche Kanäle. Erzähle Freunden und Arbeitskollegen von deinen Plänen (sozialer Druck funktioniert sowieso ungehörig gut bei der Zielerreichung) und nutze ihr Netzwerk. Lass dich Freunden von Freunden vorstellen, finde im Internet Communitys zu deinem Thema, … Wir haben ja so viele Möglichkeiten, nutzen wir sie doch einfach!
Viel Erfolg!
P.S.: Der Text stammt aus dem Mai 2021. Fritz und Costas hatten ihre Zweisamkeit gut genutzt – es gab einen Schwung mit drei Meerschweinchenbabys, die habe ich aber leider nicht mehr kennen gelernt.
P.P.S.: Doro berichtet, dass sich die Verhältnisse ein wenig verschoben haben. Fritzi ist weiterhin die aktivere, stellt sich aber immer etwas dumm an, was das Fressen angeht – da ist Costas dann schon mit der ersten Karotte durch. Das ist dann wohl ausgleichende Gerechtigkeit 🙂
Spannende Themen!
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