Es ist wunderbar, nach unserer Schneewanderung (ja, ist schon etwas her: das war im März) wieder ins warme Häuschen zu kommen. Wir hängen unser Zeug an die Zum-Trocknen-Garderobe: zwei Hardshell-Jacken, zwei Daunenjacken, zwei Softshelljacken, zwei Paar Gamaschen, zwei Funktionshosen. Halt die Wintersport(ober)bekleidungsgrundausstattung. Zum ersten Mal fällt mir auf, dass das ca. ein halber Meter Garderobenfläche ist. Oder: die Hälfte des einzigen Schranks im Tiny House. Puh.

In meiner Recovery-Phase verbringen wir ein langes Wochenende in einem Tiny House. Seit Jahren rede ich davon, dass ich mir die Wohnform gut vorstellen kann. Malte ist nicht völlig abgeneigt, deswegen machen wir das, was Ratgeber als allerersten Schritt anraten: Probewohnen.

Für ein Tiny House gibt es meines Wissens nach keine fixe Definition. Normalerweise sind sie zwischen 20 und 30 Quadratmeter groß, haben meist eine Bauwagenform und sind als Anhänger (sprich: beweglich) konzipiert. Es gibt sie in autark mit Komposttoilette und Co, oder mit Anschluss an Hauswasser und Strom, … Kurz: die Spielarten sind vielfältig. Ob das jetzt (bau-)rechtlich einfacher oder schwieriger ist – damit habe ich mich nicht beschäftigt. Ich sehe mich zwar in einem, aber wo es steht, das weiß ich nicht. Was mich reizt? Das simple life. Nur das Notwendigste besitzen, alles ist gut sortiert, aufgeräumt, kompakt, überschaubar und gemütlich. Deko, Quatsch und Ballast können sich gar nicht ansammeln.

Dass ich vom Esstisch ohne aufzustehen an den Kühlschrank und den Vorratsschrank, also die Schokolade, komme, ist ein großer Vorteil. Dass die Badezimmertür nur ein Vorhang ist (den ich vom Esstisch aus auch (fast) öffnen könnte), finde ich für uns zwei okay, ist vielleicht aber nicht so gästefreundlich. Dass es rundum Oberlichter gibt und der einzige Tisch an der großen Glasschiebetür steht, macht mich glücklich. So viel Licht! Weniger glücklich macht mich der Holzofen, der ganz schön viel Platz wegnimmt und uns zuräuchert, obwohl das Küchenfenster geöffnet ist. Dass wir drinnen im T-Shirt bei Schneetreiben draußen frühstücken, gefällt mir nicht. Der Holzofen wird von der Ausstattungsliste (in meinem Kopf) gestrichen.

„Unser“ Tiny House hat 25 qm und ist als Ferienhaus gebaut. An den Kopfseiten ist (tiny house-typisch) jeweils eine Galerie eingezogen. Auf der einen Seite, zu der eine richtige Treppe hochführt, schlafen wir. Auf der anderen Seite (über eine Leiter erreichbar), ist auch ein Bett. Im echten Leben wäre dort ein Arbeitsplatz. Dafür müsste das Haus aber höher sein, denn man kann im Bett nur sitzen – so wird das nichts. In dieser Variante fällt kaum auf, dass es oben keinen (Kleider-)Schrank gibt. Es ließe sich einiges in der Anordnung und Einrichtung optimieren, trotzdem ist klar: Es ist wirklich winzig wenig Platz. 

Jetzt kann ich das mit den 70% glauben. Das, sagen die Tiny Wohnen-Blogger und YouTuber, ist der Anteil an Gedöns, von dem du dich trennen musst, wenn du in ein Tiny House ziehst. Nun sagen meine Freunde zwar, dass sie niemanden kennen, der weniger besitzt als ich – aber trotzdem: auch meine Trennquote läge vermutlich noch bei 50%. Das tut ein bisschen weh.

In der Küche ginge es, da bin ich guter Dinge. Toaster, Reiskocher und (fast) alles, was nur einen Zweck erfüllt, habe ich längst aussortiert. Es gäbe trotzdem noch (Tupper-)Schüsselaussortierpotential. Vielleicht würde ich mich auch von Teilen meines geliebten Geschirrs trennen. Die Gewürzsammlung zu reduzieren, das wäre allerdings schwierig.

Die mittelgroße Herausforderung: selbst mein über die Jahre zusammengeschrumpfter Kleiderschrank ist ein einem Haus ohne Kleiderschrank ziemlich groß. Die zehn Jacken, die alle ihre eigenen Funktionen haben und keinesfalls redundant sind, sowie der Schuhschrank sind da nicht eingerechnet. Wieviel Kruscht wie Bettwäsche, Handtücher, Teelichter, Minibar-Sekretär und Wärmflasche man hat, merkt man vermutlich erst, wenn er in nicht vorhandenen Schänken verschwinden soll.

Die größte Herausforderung ist jedoch: die Sportausrüstung. Seile, Exen, Gurte, Lawinenschaufel, Steigeisen, Harscheisen, Helm(e), Ski, Stöcke, Schlafsäcke, Isomatte, Rucksäcke, Thermosflaschen, Handschuhe, Mützen, … da kommt einiges zusammen. Malte hat – Stichwort: Eisklettern – ungefähr fünfmal mehr Ausrüstung als ich. Wir bräuchten einen Material-Container mit integriertem zweitem Arbeitsplatz. Das wiederum stelle ich mir sehr schön vor. In Bergvideos sieht man die Bergprofis häufig beim für-die-Expedition-packen in ihren Kellern und Garagen mit Wänden voller Fahrräder, Ski, Pickel, Keile und Friends. So sähe es bei uns auch aus. Nur: Wir nähern uns den 50qm. Ist das noch Tiny?

Die drei Tage genieße ich sehr: draußen sein und dann in unser Häuschen zurückzukommen, das kompakt, intim, überschaubar, hell und sehr gemütlich ist. Ein Kokon.

Neben dem Reduzierten finde ich diese Verbindung nach draußen reizvoll.  Die „ich kann mit meinem Haus überall hinfahren“-Option erscheint mir nicht wichtig (macht eh keiner, ist ja kein Wohnwagen). Mein Tiny House müsste eine große ((glas-)überdachte) Veranda haben, die direkt in einen wilden Garten übergeht und in das keiner reinschaut. Der kleine Kokon, der sich ins Draußen einfügt.

Klingt schön, oder? Beißt sich nur etwas mit dem Fakt, dass eine Waschmaschine oder die Möglichkeit, Wäsche zu trocknen bei so wenig Platz eine Herausforderung darstellen, aber schon wichtig wäre… Lösung: eine (Tiny House) Gemeinschaft, mit Waschküche, vielleicht einer Sauna und einer gemeinsamen Wohnküche? Auch eher eine „tiny light“-Variante, oder?

Mal von der anderen Seite betrachtet: Meine jetzige Wohnung ist gute 20 qm zu groß. Das Wohnzimmer benutze ich vor allem zum Wäsche trocknen, mein Leergut und der Papiermüll haben großzügige 5 qm, weil mit der Ecke sonst nichts anzufangen ist und das Schlafzimmer ist auch überdimensioniert. Den Luxus des kleinen, abgetrennten Arbeitszimmers schätze ich allerdings sehr. Meinen Lebensraum (auf dem Grundriss heißt er „Essecke“) mit der gemütlichen Bank, dem einladenden Holztisch und der großen Glaswand würde ich äußerst ungern aufgeben. Das Kellerabteil ist leer bis auf die Ski und die Fahrradpumpe, auf dem Dachboden lagern leere Koffer, Blumenerde, -töpfe und drei Ausrüstungskisten… Was heißt das in Summe? Meine ohne-viel-verändern-Idealgröße wäre eher doppelt so groß wie unser Tiny House.

Neben den „fürs“ schieben sich auch die „widers“ deutlicher in meinen Kopf. Während ich packe und die Jacken von der Garderobe nehme (huch, ist jetzt wieder viel Platz!), stelle ich fest: Nur weil ich mit einem 30 Liter Rucksack in den Urlaub fahren kann, heißt das nicht, dass ich „einfach so“ auf 30 Quadratmetern leben kann.
Damit verabschiede ich mich nicht nur vom Häuschen, sondern ganz leise auch von der Idee des Tiny tiny Wohnens…

Zumindest für den Moment.


Spannende Themen!

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Wird verarbeitet …
Danke! Wir lesen uns dann bald…

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