Andere zitieren Filme, ich zitiere Heiko. Bei der Watzmanntour 2016 sprachen wir über die zahlreichen Deutschen, die sich, BEVOR sie ein Hobby ausprobieren, erstmal ALLES an Profi-Ausrüstung KAUFEN. Um dann nach ein paar Wochen festzustellen, dass wandern/golfen/Fitnessstudio/klettern/… nicht so ihr Ding ist und die Sachen in den Schrank wandern (“irgendwann brauche ich das bestimmt nochmal”). Dieses Phänomen hat Heiko zusammen gefasst mit: all the gear, no idea. Da es immer wieder schöne Beispiele zu sehen gibt, lässt der Satz sich häufig wiederholen. Und wenn man auf Skitour selbst mit einem vierstelligen Betrag an den Füßen unterwegs ist, lässt sich natürlich super lästern…
Mountainbiken habe ich ja bewusst nie begonnen. Aber nun hatte ich mit einer Kollegin und Freundin kurzfristig beschlossen, die Alpen mit dem Rad zu überqueren (danke, Corona!). Da wir definitiv nicht nur Asphalt fahren wollen ist klar: es muss ein Mountainbike sein. Und damit startet mein not the gear, no idea-Dilemma.
Die fehlende Fahrtechnik bekomme ich in vier Wochen nicht gelöst, da muss dann Lisa helfen.
Was die Ausrüstung angeht, nehme ich mir vor: Für diesen Urlaub kaufe ich nichts Neues.
Spoiler: das war gar nicht so einfach, aber ich habe es fast geschafft! Bevor also die Packliste für Nachmacher kommt, hier der Challenge-Bericht.
Unsere selbstgesetzten Rahmenbedingungen: wir transportieren alles selbst. Dank nicht vorhandener Satteltaschen und no-Shopping-Gebot muss alles per Rucksack transportiert werden. Ziel: Unter 5 kg zu bleiben.


- Ohne Fahrrad geht nichts. Mit meinem Crossbike komne ich aber nicht durch das Gelände. Als klar ist, dass Jorge nicht selbst mitkommen kann, leiht er mir ohne zu zögern sein Rad. Danke! Ich übernehme die Wartung (wie ich es bei meinem auch gemacht hätte), koche ein Mehrgangmenü als Danke und er bekommt das Exklusiv-Fotoanschaurecht.
- Gepäck: Wir haben beide keine fancy Taschen, die an der Sattelstütze befestigt werden können und sind uns einig, die auch nicht zu brauchen. Aber dann: ein/welcher Rucksack?! Ich besitze fünf (!) in verschiedenen Größen – alle zum Wandern, als Packsack oder für den Laptop. Aber keinen, mit luftiger Rückenpolsterung und leichtem Hüftgurt… Nach ein paar Probetouren mit meinem 32 l Wanderrucksack beschließe ich: der muss es tun, der Komfort kann mit einem expliziten Radrucksack nicht so viel größer sein?!
- An Jorges Rad sind Pedale, die auf einer Seite “normal” sind und auf der anderen das Klick-System haben. Mit Klickies bin ich noch nie gefahren und meine Radschuhe sind meine ausgemusterten Laufschuhe… Es siegt die Neugier und der erwartete Nutzen: Ich möchte Klick-Schuhe. Da Rad und Klickpedale nach der Tour wieder weg sind, weiß ich, dass ich sie nur für die Tour anhabe. Also wirklich 120 Euro für neue Schuhe ausgeben? Ich werde bei Ebay-Kleinanzeigen fündig und kaufe ein Paar für 25 Euro. Sie passen … fast gut. Sie werden per Schuhspanner noch bearbeitet und ich fahre ein paar Touren. Wird schon gehen. Bis mir aufällt: ich werde in DIESEN Schuhen mich und das Rad über 2.000 Meter hohe Pässe hieven. Ist das schlau? Ist mir irgendwann egal. Wenn es gar nicht geht, denke ich mir, muss ich unterwegs neue Schuhe kaufen. Aber: war top! Mitterweile frage ich mich, warum man Wanderstiefel für 300 Euro braucht 😉 Natürlich: Wir hatten immer trockene Wegen und beste Voraussetzungen. Bei matschig-rutschigen Wegen würde ich jetzt vermutlich anders sprechen…
- Alle Leute auf den Fotos in unserer Alpencross-Bibel haben Trikots an. Das bringt meinen ersten Impuls (natürlich ziehe ich mein Merino-Standard-Wander-Tshirt an) ins Wanken. Ich möchte auch ein schickes Trikot! Aber Moment, warum hatte ich jahrelang eins im Schrank liegen, das ich nie angezogen habe und dann aussortiert habe? Ach ja, weil die so schnell stinken. Und ich kann nicht mal die Rückentaschen nutzen, weil da der Rucksack sein wird. Nach zwei Gedankenschleifen bin ich also wieder bei Merino. Puh, das war knapp.
- Und untenrum? ich besitze zwei Radhosen mit gepolsterten Unterhosen. Zweimal das gleiche Modell von Aldi von vor fünf Jahren. Sie sind also schon unzählige Male gewaschen worden. Außerdem ist die Oberhose an den Oberschenkeln ganz schön eng. Das nervt. Ich sollte unbedingt eine neue, weitere kaufen, auch wenn es keinen Grund gibt, die alten auszusortieren. Ich bin im ersten Sportgeschäft und betaste erstmal das Radunterhosenangebot. Ein Unterschied wie Tag und Nacht zu meinen ollen Dingern! Ich kaufe eine davon (eine hervorragende Entscheidung!) und lasse die Oberhosen im Geschäft hängen. Zu Hause stelle ich fest, dass die neue Unterhose so Wurstpelleeng sitzt, dass die Hose problemlos über meine Oberschenkel rutscht: Zwei Probleme mit einem Kauf gelöst!
- Jetzt ist noch der Regen- und Kälteschutz offen. Lisa überzeugt mich, dass ich was langes für die Beine brauche. Micha leiht mir seine Beinlinge und freut sich, dass die mal wieder benutzt werden. Gleiches gilt für die Regengamaschen. Und weil ich meine Regenhose nicht finde, starte ich einen WhatsApp-Aufruf und kann sofort aus vier Hosen wählen – ich nehme die leichteste!
- Der letzte Kampf findet bei der Fahrradbrille statt – unverzichtbarer Bestandteil, sagt die Alpencross-Bibel. Ich habe keine. Dafür eine Laborbrille, die mich vor Insekten schützen würde – nähme ich sie denn mal mit. Da niemand meiner Freunde sagt “musst du haben”, wird es am Ende meine normale Brille (damit ich die Berggipfel und Gemsen sehe) und die Sonnenbrille. Puh, das war knapp!
Bei den nicht-radspezifischen Sachen ist alles einfach. Hier besteht keine Kaufgefahr, nur zuviel-Einpack-Gefahr. Am längsten sprechen wir über den Flachmann. Ein genialer Trick meinerseits macht die Entscheidung dann einfach: ohne Gaffatape kann man nicht los > eine ganze Rolle mitnehmen ist Quatsch > beim Wandern ist immer was um meinen Stock gewickelt, den hab ich nicht dabei. Was bietet sich als Wickelgrundlage an? >> der FLACHMANN! Der Haselnuss (ich bekomme leider nichts für den Link, ihr aber was fantastisches!), der schmeckt wie flüssiges Nutella, wird unser Pass-Schnaps, meist ist es aber eher heiße Schokolade…
Fazit: ich bin stolz auf mich. Meine zwei Käufe waren wohlinvestiert, ich habe jetzt aber keinen weiteren Schnickschnack. Und naja, natürlich auch darauf, dass wir die Tour geschafft haben. Wieviel idea wir hatten, davon erzähle ich nächstes Mal.
Die gesamte Packliste
für Nachmacher – was ich nur empfehlen kann!

Auf dem Rad:
Mountainbike | Ich hatte ein Hardtail, Lisa ihr Carbon-Fully. Geht beides. Die Räder wiegen ähnlich viel, 10-12 kg schätzen wir. Wir haben sie ja teilweise drei Stunden am Stück getragen, viel schwerer hätten sie nicht sein dürfen. |
1 Radhelm, 1 Buff | als Kälte-/Hitzeschutz für Kopf oder Hals habe ich ein Buff eingepackt. Kalt war es nie und der Helm schien mir der bessere Sonnenschutz – habe das Tuch nicht mal entfaltet. Würde es aber trotzdem wieder mitnehmen. |
1 Rucksack | Mein Rucksack hat ein Volumen von 32 Litern und da war noch gut Luft. Lisas hat 27 Liter, der war ebenfalls gut ausreichend. |
1 Paar Radschuhe | Siehe oben. Ich fand Klickies super. Gerade bei den steinigen Abschnitten, die einen aus der Spur werfen, fand ich es super, dass die Füße den Halt nicht verlieren. Wenn es links oder rechts steil nach unten ging, hab ich die Flats benutzt (oder bin gar nicht gefahren :)) |
1 Paar Radhandschuhe (lang) | Die Entscheidung für lang war gut. Sie waren zwar ständig durchgeschwitzt, man kann aber immer überall hingreifen, was bei unseren Tragepassagen von Vorteil war. Und ich hätte auch gut mal über den Lenker fliegen können, da schützen lange besser. Bei Kälte wären wir auch dankbar gewesen. |
1 Trikot | Auch Lisa nimmt ein Merino-T-Shirt mit. Würden wir wieder machen. Was wir aber auch wissen: Merino stinkt nicht – das stimmt nicht! |
1 Radhose (kurz) 1 Radunterhose | Die Kombi war für mich von Anfang an klar – die Überhose dient am Ziel als kurze Hose. Und sie hat eine Tasche mit Reißverschluss. Wichtig! Dann war es ja so heiß… Sind trotzdem erst an Tag 6 auf die Idee gekommen, nur in der Unterhose zu fahren. Tipp: beim Kauf drauf achten, dass die Hose herzeigbar ist 😉 und (Profimodus) idealerweise auch eine Tasche hat. |
1 Langarmshirt 1 Paar Beinlinge | Mein Merinowanderlangarmshirt hatte ich dreimal bei Pausen/abends an, die Beinlinge gar nicht. Ich glaube aber, sie hätten eine gute Kaltwetter-Kombi abgegeben. Würde ich wieder so packen. |
1 Regenhose Gamaschen 1 Regenjacke | Da das Wetter gut gemeldet war, habe ich mich für die schlechtere/leichtere meiner beiden Regenjacken entschieden. War gut, ich hatte sie zwei Stunden an. Regenhose und Gamaschen 10 Minuten (naja, vielleicht waren es 20). Würde ich auch wieder einpacken. Wobei, bei den Gamaschen bin ich mir nicht sicher. |
1 Paar Socken 1 BH | Socken von Tchibo, zwei Euro. Top! Der BH wird nach dem Kriterium kann-damit-spontan-in-den-See-springen (nicht durchsichtig, trocknet schnell) ausgewählt. |
Sonnen- /Radbrille | = normale Sonnenbrille |
Werkzeugtaschen / Bauchtasche | Wir wollten so viel Gewicht wie möglich direkt ans Rad packen. Die Werkzeugtasche, die am Sattel hängt, kommt mit dem Rad. Vorne am Lenker bringe ich meine Bauchtasche für den schnellen Handy/Geld/Masken-Zugriff an |
1 0,75l Trinkflasche | Reicht! Es gibt so viele Brunnen und Auffüllmöglichkeiten. Das Wichtigste: am Rad festmachen! |

Nicht-auf-dem-Rad / Die Abendgarderobe:
2 Unterhosen 1 Bikini 1 P dicke Socken | Selbsterklärend, oder? Die Socken hatte ich nicht an, würde ich aber wieder einpacken | |
1 lange Leggings | Hatte ich nur einmal an, ohne geht aber nicht | |
1 T-Shirt | Hatte ich jeden Tag an, war dann nicht mehr das “frische T-Shirt”. Reicht aber und erhöht die Vorfreude auf zu Hause (Dusche & Kleiderschrank) | |
1 Paar Adiletten | Ich habe seit einem Notfall in Australien lilane Ultraleicht-Adiletten. War mir damals peinlich. Heute, dass man sie in der Öffentlichkeit tragen kann. Gewichtstechnisch einfach unschlagbar! Lisa hatte Fildorado-Flipflops dabei. | |
1 Hütten-schlafsack | Haben ihn nur für eine Nacht gebraucht (ich habe auf der Hüttenübernachtung bestanden), war es aber wert! |
Das Badezimmer:
1 kl. Reisehandtuch | Auch “die Briefmarke” genannt | |
1 Labello | Sonne & Kälteschutz | |
50 ml Sonnencreme LSF 30 | Haben wir uns geteilt und ist trotz Dauersonnenschein längst nicht leer | |
Deocreme | Die von dm Bio ist fast zu empfehlen | |
Kleines Stück Allzweck-Seife | In unserem Fall mehr Backup, gibts in den Unterkünften ja | |
Zahnpasta/-bürste | Im Reiseformat | |
Haarbürste | Haben wir auch geteilt | |
Ohrstöpsel | Nie ohne! |
Der Erste Hilfe-Schrank
Verbandszeug, Kompresse, Handschuhe, Schere, (Klammer)Pflaster, Tape, Desinfektionsspray, Schmerzabletten | Haben wir glücklicherweise auch unbenutzt wieder mit nach Hause genommen! | |
Gesäßcreme | Morgens und vor den langen Aufstiegen wurde die teure, kühlende von Lisa gecremt, abends simples Melkfett. Was hilfreicher war oder obs die Kombi ausgemacht hat – wir hatten keine Probleme! | |
Fenestil | Für Eli | |
Zeckenkarte | Für Lisa | |
Rettungsdecke / Biwaksack | Jeweils eins |
Der Werkzeugkasten:
1 Schlauch p.P., Reifenheber, Flickzeug, Luftpumpe | Alpencross ohne Platten scheint es nicht zu geben. Ersatzschläuche bekommt man ja überall, deshalb haben wir nur einen dabei gehabt |
1 Multitool 1 Taschenmesser | viel benutzt 🙂 |
1 Kettenschloss pro Rad | Die Ketten sind oft abgesprungen, aber nicht kaputt gegangen. Nimmt aber ja keinen Platz weg |
1 Schaltauge pro Rad | Das ist der Befestigungspunkt für das Schaltwerk und die Sollbruchstelle und es gibt für jedes Fahrradmodell ein unterschiedliches. Heißt: die Wahrscheinlichkeit, dass wir es brauchen ist zwar gering. Aber wenn wir es brauchen (und nicht dabei haben) ist die Tour wahrscheinlich vorbei, da der Fahrradladen das passende nur mit Glückl auf Lager hat. Mussten wir glücklicherweise nicht ausprobieren |
1 x Bremsbeläge | Kann ich jetzt wechseln |
1 Schloss | Haben die Räder zwar meist in Sichtweite abgestellt, aber für nachts/im Zug/den Kopf. Tipp: Zahlenschloss ist besser, dann muss man nicht so gut auf den einzigen Schlüssel aufpassen |
Fahrradlampe vorne/hinten | War in den Tunneln hilfreich 🙂 – wäre aber auch ohne gegangen… |
Kettenöl | Klar, oder?! |
Tape, Kabelbinder, Gummibänder | Klar, oder?! |
Nähzeug | Ist diesmal – aus Faulheit – unbenutzt geblieben |
die Tunnel sind meist unbeleuchtet wieder was geschafft
Und das Kleinzeugs:
Energie-Riegel, Gels, Magnesiumtabletten | Vor allem aus Gewichtsgründen (naja, und vielleicht Bequemlichkeit) hatten wir wenig Essen dabei und haben lieber die lokalen Spezialitäten (Marillenkuchen, z.B.) in uns hineingeschaufelt |
Handy Ladegerät Halterung | Wir hatten drei Handys dabei… |
GPS Ersatzbatterien Landkarten | … da haben wir das GPS nicht benutzt. Und die Tracks waren so gut, dass wir auch die Karten nicht gebraucht haben. Ich hatte sie kopiert und die Route eingezeichnet. Es hat wiederum Spaß gemacht, jeden Abend eine oder zwei Seiten als “erledigt” auszusortieren. |
Ausweise (Perso, DAV, Krankenkarte, Kreditkarte), | Klar, oder?! |
Bargeld | mind. 250 Euro pro Person |
Toilettenpapier | Notfallequipment! |
Desinfektionsgel | Es ist ja immer noch Corona… |
Sitzunterlage | Luxus für den Hintern. Wären bei Kälte/Nässe noch dankbarer dafür gewesen |
Plastiktüten Ziplocs | Klar, oder?! |
Flachmann | Klar, oder?! 😉 |
Trillerpfeife | Am Rucksack |
3 Comments
Gerade komplett und begeistert gelesen, als würde ich gleich aufbrechen wollen. Fernweh? Jaaaaa! Sehnsucht nach den Bergen? Noch mehr Jaaaaaaaaa! Aber, in Berlin, Malern kleines Zimmer Teil 2….
Tat aber sehr gut die kleine Flucht! Danke! 🙂
Pingback: Erstes Mal: mit dem Rad über die Alpen – Eli Superschnelli
Pingback: Über die Philosophie und Psychologie des Laufens – Eli Superschnelli