Jetzt, während wir hier im Herbst stecken, sind die 39 Grad, in denen wir im Juli auf dem Nowhere geschwitzt haben, gar nicht mehr so unattraktiv….
– Moment, dem WAS?
Mit meinen Urlauben ist es ähnlich wie mit meinen Berufsbezeichnungen: Das geht selten in einem Wort, meist noch nicht mal zufriedenstellend in zwei Sätzen…
Während man auf “Ich war im Cluburlaub in der Türkei” oder “Aida-Kreuzfahrt in der Karibik” höchstens noch nach den Außentemperaturen und der Service- und/oder Alkoholqualität fragen kann, ist “Ich war auf dem Nowhere. Das ist ein sechstägiges Burn Event in Spanien, das größte in Europa” den meisten noch nichts klar. Oder?
In einem Satz: Es ist das genaue Gegenteil von der Vipassana-Meditation.
Das erste Burn Event ist/war das Burning Man in der Wüste von Nevada, USA. Da versammeln sich mittlerweile jedes Jahr 80.000 Menschen und meiner Meinung nach hat es mit dem eigentlichen Grundgedanken nicht mehr viel zu tun.

Der ist – und das sind jetzt meine eigenen Worte – temporär eine Stadt in der Wüste und eine gesellschaftliche Utopie aufzubauen. Diese fußt auf folgenden 10 Prinzipien:
- Radical inclusion: ausnahmslos jeder darf teilnehmen.
- Gifting: Schenken aus Freude und ohne Erwartungen.
- Decommodification: kein Kommerz, keine Werbung.
- Radical Self-reliance: die eigenen Möglichkeiten entdecken und auf sie vertrauen.
- Radical Self-expression: jedes Individuum soll angstfrei seine Einzigartigkeit ausleben.
- Communal Effort: kreative Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung sollen zu einer Gemeinschaftsleistung führen.
- Civic Responsibility: Verantwortung übernehmen für das eigene Handeln und für die Gemeinschaft.
- Leaving No Trace: nach dem Ende des Festivals dürfen in der Wüste keinerlei Spuren zurückbleiben.
- Participation: Mitmachen anstatt zuzusehen.
- Immediacy: Unmittelbare Erfahrungen machen
Vielen Dank an Wikipedia, dort wurde das so hübsch und kompakt auf Deutsch zusammen gefasst.
Es haben sich weltweit Ableger gebildet, die regionalen Burns. Sie alle fußen auf eben jenen Prinzipien, aber mit unterschiedlichen Aussprägungen. Teilweise haben sie auch noch weitere hinzugefügt, in Spanien war consent das meistdiskutierte.
So schön sich die Prinzipien auch lesen, geben sie doch noch nicht viel Auskunft, was einen auf einem Burn erwartet. Immer noch übertragen gesprochen: eine ganz andere Welt, in der sich die viele Teilnehmer wirklich ausleben. So viel Kreativität und Ausdruck begegnet man im “normalen Leben” (so wie ich es führe) nie.
Nun stellt sich ja noch die Frage nach dem Original-Veranstaltungsnamen: Burning Man – der “brennende Mann”, das lässt Raum für Spekulation. Feuer ist vorgesehen, echte Menschen werden aber natürlich nicht verbrannt. Mit viel Können (baulich wie künstlerisch) werden für die Burns riesige Holzfiguren gebaut, die an den letzten Abenden verbrannt werden. Sowohl die Figuren selbst, als warum sie verbrannt werden, haben natürlich einen Hintergrund, da weiß ich aber a) nicht genug darüber und b) sprengt das den Rahmen.
Auf dem Nowhere darf nichts verbrannt werden, da noch zuviel trockene Vegetation drum herum ist, die Feuer fangen könnte…
Statt dessen ist es interessanter noch zu erzählen, dass das zweitgrößte Event das AfrikaBurn in Südafrika ist. Beim Drittgrößten, dem Midburn (Middle East) in der Negevwüste in Israel war ich 2018. Dort sind knapp 11.000 Burner zusammen gekommen. In Spanien waren über 3.000 Menschen, oder “nobodies” (wie sie in Anlehnung an den Eventtitel logischerweise heißen), dabei.
Habe ich erwähnt, dass das gesamte Festival ehrenamtlich organisiert wird?
Trotzdem steckt dahinter durchaus auch großer ökonomischer Wert. Die spanischen Burner könnten sich vorstellen, die Location zu wechseln, die Region Monegros möchte das Festival aber nicht verlieren…
So. Und damit reicht es für den Moment. In der Fortsetzung: Was macht man da jetzt so genau? Und: Wie ist das Wetter eigentlich?

Auf mein geteasertes “Warum ist das Burning Man nicht mehr Original?” hier die Antwort: Durch die Größe des Events bewegt man sich dort am besten mit dem Fahrrad vorwärts. Und hinterher stehen tausende Räder in der Wüste. Was hat das mit Leave no trace zu tun? (bei Midburn und Nowhere wird selbst das Abwasser vom Spülen nicht einfach weggekippt, sondern speziell entsorgt). Und wenn man klimatisierte Camper mieten kann, Marc Zuckerberg dorthin jettet und die Silicon Valley Elite sich gegen Bezahlung die verrücktesten Camps bauen lässt, um exklusive Parties zu feiern, sind auch so ungefähr alle Prinzipien gebrochen.
