Das haben wir uns dieses Jahr auch gefragt. Die Zeit ist verflogen. Das wird auch kein chronologischer Artikel, sondern eine Zusammenstellung von großen und kleinen Punkten, die vermutlich immer noch kein hilfreiches Gesamtbild abgeben.

Aber fangen wir kurz von vorne an: Am Check-In, wo man mit Umarmungen und einem interaktiven Quiz zu den Prinzipien empfangen wird, erhält auch jeder ein Programmheft. Das sind ca. 80 Seiten in Arial 6 mit Workshops, Vorträgen, Partys und kulinarischen Versprechungen (jeden Tag ab 16 Uhr gabs Smoothies im Camp Zooasis; den bayerischen Biergarten und die sizilianische Pizza haben wir verpasst).

Damit fängt das Dilemma aber auch schon an. Denn eigentlich gibt es keine Zeit auf dem Nowhere. Ein Handy haben die meisten dabei, es bleibt aber im Camp. Und die meiste Zeit fühlt man sich auch ohne Programm ganz schön gut beschäftigt: versuchen, im Schatten des Zirkuszelts noch eine Stunde zu schlafen. Einen Kaffee machen. Jemandem beim Gemüse schnibbeln fürs Mittagessen helfen. Donuts backen. Eine Runde übers Gelände drehen. Irgendwo hängen bleiben, weil man nette Leute trifft. Es zum Abendessen rechzeitig zurück schaffen. Ob vor den Partys am Abend noch irgendwo etwas besonderes los ist, hört man dann da. Und wenn man vom Feiern zurück kommt, legt man sich ins Zelt auf den vibrierenden Boden. Trotz der Bässe (bis um 7 Uhr) ist Schlafen kein Problem, aber mit Beginn der Zeltsauna ab 8 Uhr ist es damit dann vorbei …
Es lebt sich auf einem Burn leichter, wenn man einem Camp angehört. Denn das bedeutet, dass man sich gemeinschaftlich um Wasser, Essen, Schatten und gemeinschaftliche Angebote für die Nobodies kümmert. Es gibt, außer Eiswürfeln, auf dem Gelände nichts zu kaufen. Es muss ALLES mitgebracht werden. Nutzwasser für die Camps und die Reinigung der Dixies sind extern beauftragt. Das gab auch lustige Szenen, wenn “normale” spanische Leute inmitten der Festivalfeierei die Tanks aufgefüllt haben. Die wären alle gern geblieben.
Obwohl das Festival so kreativ-freigeistig ist, gibt es natürlich Regeln. Viele sogar. Auch unser Camp ist durchorganisiert. Müll- und Küchendienst erinnern an die Zeltlager früher.
Woran sich auch die allermeisten halten: Fotos von anderen sind nur mit expliziter Einwillung erlaubt – aus dieser Welt soll nichts (unfreiwillig) in die andere schwappen.

Zum Beispiel, weil hier viele (fast / ganz) nackt herumliefen. Während es auf dem Midburn viel mehr darum ging, welche Drogen man am Abend zu welcher Musik an welchem Ort nehmen möchte, ist hier die self-expression stark mit wenig Kleidung verknüpft. Und zwar mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass ich mich frage, wie manche im Alltag wohl zurecht kommen. Das, was an Kleidung getragen wird, sind oft tolle Kostüme, also auch in der Vorbereitung (zeit)intensiv.
Was es tatsächlich nicht gibt ist sozialer Druck. Ob man etwas anhat oder nicht, Alkohol trinkt oder nicht, auf die Ü18-Partys geht oder nicht, laut lacht oder nicht, feiern möchte oder nicht – für jeden gibt es Programm und keiner wird zu etwas genötigt.

Dafür gibt es immer wieder Überraschungen. Auf einer Tagesparty komme ich mit einem Deutschen ins Gespräch und zehn Minuten später stellen wir fest, dass der Kumpel, mit dem er da ist, aus dem gleichen Kaff kommt wie ich! Tags drauf treffen wir uns zufällig wieder und siehe da – klar kennen wir uns, auch wenn wir uns schon 15 Jahre nicht gesehen haben!
Herrlich auch, dass man sich auf dem Festival weder alt noch jung fühlt. Die Burn-Gesellschaft beginnt bei Mitte 20 und endet jenseits der 70, mit dem Bauch zwischen 30 und 50. Es ist explizit familienfreundlich, auch wenn auf dem Nowhere weniger Kinder waren als auf dem Midburn.

Natürlich haben Anja und ich unsere Campflichten erfüllt und versucht zu helfen, wo wir können. Dieses Jahr haben wir gifting auch ernst genommen und waren als Cookie-Orakel auf der Playa (= dem Festival-Gelände) unterwegs. Anja hat Kekse gebacken und die haben wir verschenkt. Gegen eine (geheime) Orakelfrage, sonst wäre es ja langweilig. Trotzdem fühle ich mich immer noch so sehr als Konsument inmitten all dieser Menschen, die für das Event leben. Und Wochen und Monate in die Planung, Umsetzung, Auf- und Abbau stecken. Wir waren eine Woche in der Wüste – ein paar aus unserem Camp einen Monat.
Dieses Ausgesetztsein, verschobene Komfortzonengrenzen, Schlafentzug und konstante Reizüberflutung sind anstrengend, aber auch lehrreich. Ich frage mich zum Beispiel, wann ich mir im Alltag angewöhnt habe, die Leute um mich herum absichtlich nicht richtig wahrzunehmen. Also z.B. (Augen-)Kontakt zu vermeiden. Traurig, oder? Aber ich weiß, warum: diese ständigen Interaktionen können ganz schön anstrengend sein. Aber auch so bereichernd. Ich habe mich also auf dem Nowhere bewusst wieder geöffnet. (Kommentar aus heutiger Sicht: leider nicht so nachhaltig, wie ich mir das gewünscht habe)
Wie geht es mit mir und den Burns weiter? So richtig weiß ich es noch nicht. Was es – wie immer – ausgemacht hat, waren die Leute. Und davon braucht man ja eigentlich gar nicht so viele. Wenn man also wenige, aber tolle Menschen mit dem Burn-Spirit verbindet, dann … wäre doch ein nationales Burn gar nicht so schlecht. Z.B. das kanadische (im Wald mit Fluss) oder das deutsche (auf einer Burg) mit jeweils ~300 Teilnehmern. Ihr merkt: nicht richtig drin, nicht richtig raus. Es könnten noch weitere Kapitel folgen.