… und wer das nicht wusste, ist nicht alleine. In der nicht-repräsentativen und ungeplanten Umfrage unter Kollegen und Freunden kam heraus: die Unwissenheitsquote liegt bei 99 Prozent.

Insofern hat das mutige Stadtmarketing (Vilnius, der G-Punkt Europas) mit dem ersten Teil des Slogans (keiner weiß wo er ist) auf jeden Fall recht:

Wie steht es um den zweiten Teil? (aber wenn man ihn gefunden hat, ist es unglaublich. – Wie schade, dass es im Deutschen durch die unterschiedlichen Artikel nicht so richtig funktioniert).

Die wenigen, die schon mal da waren sagten: „Die Altstadt ist echt schön“ und waren dann mit ihrem Bericht fertig. Für den Altstadt-Spaziergang benötigt man, so mein Reiseführer, „etwa 4 Std. wenn man sich viel Zeit nimmt und zwischendurch im Café verschnauft“. Na dann.

Wie war der erste Eindruck?

Sympathischer Flughafen. Verrückt, der Bus in die Stadt kostet einen Euro. Hm, nach Hauptstadt fühlt sich das hier nicht an. Juhu, ein Fest mit lauter Fressständen! Och, der Platz mit dem Kirchlein ist ja niedlich! – oh, das ist die Kathedrale?!

Und sonst?

Blumen

Was ich mir von meine Reiseführerlektüre gemerkt hatte war, dass die Litauer auf Blumen stehen. Keine Einladung, ohne das man Blumen mitbringt. Und tatsächlich: sehr, sehr viele Menschen laufen mit Blumensträußen durch die Stadt. Das Sozialleben der Vilnier (meine Variante, nicht nachgeprüft) scheint gesund zu sein.

Öffnungszeiten

Ins Auge stechen mir die Öffnungszeitenangaben auf den Ladentüren. Ich habe mich lange gewundert/gefreut, dass sie einfach nur Nummern hinschreiben.

Tatsächlich entspricht das der Schriftsprache, denn von Montag (erster Tag) bis Samstag (sechster Tag) wird durchgezählt, der Sonntag heißt Ruhetag. Die Letten machen es übrigens genauso, die beiden Sprachen sind baltischen Ursprungs.

Ein Staat in der Stadt

1997 wurde der Staat als feuchtfröhlicher Aprilscherz gegründet, aber die Republik Užupis besteht noch heute. Vor allem am 1.4. zum Nationalfeiertag. Es ist aber auch alles da: Ein Parlament (tagt in der Kneipe), eine Verfassung (wurde in ebenjener verfasst) und es gibt Botschafter (z.B. den Dalai Lama. Es werden aber noch weitere Posten vergeben. Der „Surf-Botschafter“ und der „Umarmungs-Botschafter“ sind allerdings schon vergeben). Wer sich das ausdenkt? Užupis ist eine Künstlerkolonie – früher von armen Studenten wegen der Nähe zur Uni bewohnt – heute der teuerste Stadtteil Vilnius’…

„Kein Mensch hat das Recht, nach der Ewigkeit zu trachten“ – mein Liebling

Stadtfeeling

Ich fand: Vilnius hat wenig, woran das Auge hängen bleibt. Durch die niedrigen Gebäude, ohne auffallende Architektur, fühlt sich die Stadt so gar nicht nach Hauptstadt an. Es ist gleichzeitig voll und leer. Das hat sicher damit zu tun, dass Gehsteige oft unbenutzbar sind – also, tiefe Löcher aufweisen, gar nicht existieren oder einfach bis zur Kante mit Außengastronomie befüllt sind. Mit einem Kinderwagen muss die Stadt der Horror sein.

Das wechselhafte Wetter half ebenfalls nicht. Nach fünf Minuten mit Sonne ohne Wind kann es dann auch schon wieder stürmisch regnen. Ich wusste nicht so richtig, was ich mit mir anfangen soll.

Nicht mal essen konnte ich durchgängig. Die einheimische Küche ist so deftig und schwer, dass man Pausen braucht… Aber lecker ist es – wenn man Kartoffeln und Brot mag!

Lieblingsmoment

Bei der Stadtführung erzählte unser Guide Else vom „Baltic Way“ im August 1989, der mich nach wie vor beeindruckt. Die Fotos und Videos davon machen mir Gänsehaut. Und auch die Art, wie sie es gesagt hat, hat in mir nachgeklungen: „Ein freies Baltikum – das war das Ziel dieser Menschenkette, die von Vilnius über Riga bis Tallin ging. Also, so sagen wir das. Die Esten sagen natürlich, dass der Anfang bei ihnen war, also: die 620 km lange Kette von Tallin über Riga bis Vilnius. Ich frage mich immer: was sagen die Letten?“

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Eli Superschnelli

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen